Das Umweltinformationsgesetz (UIG) ist eine großartige Errungenschaft unseres demokratischen Rechtsstaates. Mit seiner Hilfe können Umweltinformationen von Behörden erlangt werden, die dann in der Öffentlichkeit bewertet und im demokratischen Prozess ggf. zu Konsequenzen führen. Unter Berufung auf dieses Gesetz gelangte der Wassernetz NRW - Flussgebietskoordinator für die Agger vor vier Jahren an die 2016 von der Bezirksregierung Köln erteilte Erlaubnis zur Anstauung der Agger zum Zweck der Wasserkraftnutzung in Engelskirchen-Osberghausen. Die Erlaubnis wurde unter der Bedingung erteilt, innerhalb von zwei Jahren eine Fischaufstiegs- und Fischabstiegsanlage zu bauen. Die Umweltverbände werben dagegen für den Rückbau und die Sanierung der verschlammten Stauanlage und sehen daher eine solche Anlage als überflüssig, ja sogar als kontraproduktiv an.
Insofern sind die Naturschutzverbände, Träger des Wassernetz NRW, froh dass diese Anlage immer noch nicht gebaut worden ist. Würde diese millionenschwere und mit Steuermitteln geförderte Investition getätigt, dann würde die Verbauung der Agger und die Zerstörung des Lebensraums im wahrsten Sinne des Wortes zementiert. Allein schon wegen der Verhinderung der Sedimentdurchgängigkeit, siehe aktuelle Meldung, hätte eine Erlaubnis zur Anstauung der Agger nicht erteilt werden dürfen.
Die Bezirksregierung andererseits muss natürlich mit der Tatsache umgehen, dass nach acht Jahren die Durchgängigkeitsanlage für Fische immer noch nicht gebaut ist. Verantwortlich dafür ist der Aggerverband als Eigentümer der Anlage, der wiederum den Aggerkraftwerken GmbH & Co.KG die Möglichkeit schafft, eine Wasserkraftanlage zu betreiben. Die Wasserkraftanlage stand seit Jahren still und wurde zwischenzeitlich von den Aggerkraftwerken mit einer neuen Turbine ausgerüstet. Der Deal zwischen dem Aggerverband und den Aggerkraftwerken bestand darin, dass die Aggerkraftwerke für die Wasserkraftanlage kaum etwas zu zahlen hatten, weil außer ihnen die Anlage niemand haben wollte, zumal der Vorbesitzer kein Kilowatt Strom daraus produziert hatte. Die Eigenbeteiligung des Aggerverbandes für den Bau der Fischaufstiegs- und Fischabstiegsanlage sollten im Gegenzug die Aggerkraftwerke übernehmen. Dieser Deal fand unter den Augen der Bezirksregierung statt und die Förderung wurde schon vor langen Jahren genehmigt.
Nachdem das Wassernetz NRW durch das UIG Einsicht in die Erlaubnis bekam, legte es offen, dass dort massiv gegen den Fischschutz verstoßen wurde. Das Problem besteht darin, dass die Hauptströmung 200 Meter vor der geplanten Wanderhilfe die Fische in den Turbinengraben locken würde, wo sie Qualen erleiden und dann auch zu Tode kommen könnten. Die Verluste sollten mit Geld abgegolten werden. Als das öffentlich wurde (Meldung vom 6.11.2020), ließ sich die erteilte Erlaubnis diesbezüglich nicht mehr halten. Der Aggerverband schlug vor, eine Fischscheuchanlage zu bauen, die verhindern sollte, dass die Fische in den Turbinengraben gelangen. Hierüber gab es dann heftige Diskussionen mit der Bezirksregierung Köln, die von einer solchen Fischscheuchanlage nicht überzeugt war und ein Monitoring verlangte. Wenn sich dann herausstellen würde, dass diese Anlage ihren Zweck nicht erfüllte, müsste der Bau von Rechen in der Agger die Fische schützen, was nach Ansicht des Betreibers weitere Probleme verursache und den Betrieb der Wasserkraftanlage unrentabel mache. Daraufhin verlangte die Bezirksregierung, wie aus dem 2. Änderungsbescheid vom Oktober 2023, der dem Wassernetz vorliegt, hervorgeht, diese Wirtschaftlichkeitsberechnung vorzulegen, was von den Aggerkraftwerken zugesagt wurde. Als dann trotz mehrfacher Nachfrage diese nicht vorgelegt wurde, entschied die Bezirksregierung Köln nach Aktenlage und schickte den 2. Änderungsbescheid an den Aggerverband. Dieser hatte nichts Besseres zu tun, als gegen den Bescheid zu Gunsten der Aggerkraftwerke zu klagen.
Nachfragen beim Verwaltungsgericht ergaben, dass vom Gericht die Klage wohl erst nach einem Jahr angefasst wird. Insofern ist die Qualität der Klage eine andere als die von 2019, bei der die Aggerkraftwerke gegen den Bescheid der Bezirksregierung klagten, der beinhaltete, wegen „Gefahr im Verzug“ das marode Wehr Ohl-Grünscheid niederzulegen. Dieser Bescheid der Bezirksregierung hatte durch einen zügigen Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln Bestand, wobei der Richter nicht versäumte, den Aggerkraftwerken die Leviten zu lesen: "Die - nicht weiter konkretisierten und bezifferten - wirtschaftlichen Interessen der Antragstellerin, vorläufig weiterhin Nutzen aus dem Betrieb der seit Jahren bekannt schadhaften Stauanlage zu erzielen, muss hinter dem öffentlichen Interesse zurücktreten, konkrete und naheliegende Schäden für erhebliche Sachwerte und möglicherweise für Leib und Leben von Menschen abzuwenden."
Das Verfahren ist übrigens immer noch nicht durch ein Urteil abgeschlossen. Man kann froh sein, dass der Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln den Test der Standfestigkeit des Wehres Ohl-Grünscheid durch das Sommerhochwasser von 2021 verhindert hat, den dieses wahrscheinlich nicht bestanden hätte.
Der Wassernetz NRW Flussgebietskoordinator für die Agger hat Mitte Februar den Vorstand des Aggerverbandes angeschrieben:
"Der achtjährige Krampf um die Bedingung der Fischdurchgängigkeit, die schon im Jahr 2018 hergestellt sein musste, hat Energien beim Aggerverband, den Aggerkraftwerken, der Bezirksregierung und nunmehr auch der Justiz gebunden. Eine nachhaltige Lösung des Krampfes sollte durch den Aggerverband erfolgen, indem er die Klage zurückzieht und sich damit zum Rückbau und zur Renaturierung der Anlage Osberghausen entschließt."