Regionalgruppe Köln

BUND-Schreiben an den gesamten Gemeinderat der Gemeinde Windeck

17. Juni 2021 | Flüsse & Gewässer, Kreisgruppe Rhein-Sieg, Lebensräume, Naturschutz, Sieg

Stellungnahme der Gemeinde Windeck zum Entwurf des Bewirtschaftungsplanes 2022-2027 (EU-Wasserrahmenrichtlinie =WRRL) hier: Hinweise des BUND im RSK/Windeck

Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin, sehr geehrte Damen und Herren,

zu der dem Gemeinderat vorgelegten Stellungnahme der Gemeinde Windeck zum 3.Bewirtschaf-tungsplan 2022 – 2027, der im Rahmen der Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie aufgestellt wird, geben wir folgende Hinweise und bitte um deren Berücksichtigung:

1. Der geforderten Ergänzung von Satz 3 im Maßnahmenprogramm (MNP) muss entschieden widersprochen werden, da dies eine im Sinne der WRRL nicht zulässige allgemeine Verschärfung der Restriktionen für die geforderte Herstellung der Durchgängigkeit an wasserbaulichen Anlagen in ganz NRW bedeuten würde. Die bestehende Formulierung im MNP beschreibt in ausreichender und teilweise auch schon zu weitgehender Form beispielhaft Faktoren, die bei der Bewertung bestehender wasserbaulicher Anlagen dazu führen können, dass ein Wehr-Rückbau nicht möglich sein könnte. Dies durch die Hervorhebung „insbesondere innerhalb oder unmittelbaren Auswirkungen auf die Siedlungsbereiche“ sowie „prägendes Stadt- und Landschaftsbild“ noch zwingend verstärken zu wollen, ist der Versuch einer zu weit gehenden Präjudizierung die sowohl dem Geist als auch den verbindlichen Zielen der WRRL diametral entgegensteht. Hierbei ist die Einfügung „Landschaftsbild“ besonders ärgerlich und unbedingt abzulehnen, da es bei natürlichen Gewässern – wie z.B. der Sieg – fachlich und ästhetisch wohl unumstritten sein dürfte, dass ein natürlicher Fluss- und Fließverlauf in der Landschaft gegenüber einem gestauten Gewässer immer vorzuziehen und wenn möglich entsprechend den gesetzlichen Vorgaben WRRL, WHG) immer wiederherzustellen ist, so nicht andere wirklich relevante Restriktionen dem entgegenstehen – z.B. Gebäudegründungen. Hierzu mag auch der Aspekt „Stadtbild“ gehören, aber ganz bestimmt nicht der Aspekt „Landschaftsbild“. Das einvernehmlich auf EU-Ebene beschlossene und in nationales Recht (WHG) überführte Ziel der WRRL besteht darin, in allen als „natürlich“ ausgewiesenen Gewässern den „guten ökologischen Zustand“ nach klar definierten Kriterien bis 2015 (!) wiederherzustellen – allerspätestens bis 2027. Wir befinden uns also schon im Ausnahmemodus und dann ausgerechnet im entscheidenden Bewirtschaftungsplan bzw. Maßnahmenprogramm weitere Erschwernisse einzufordern, sehen wir als Naturschutzverbände sehr kritisch und als enttäuschend, dass ausgerechnet eine Kommune an der Sieg, dem bestgeeigneten Fluss im ganzen Rheineinzugsgebiet für die Wiederansiedlung zahl-reicher Wanderfische diese fehlleitende und überflüssige Forderung erheben will.

2. Unter Bezug auf den Planungseinheitensteckbrief zur Sieg als Bestandteil des Bewirtschaftungs-planes und Hinweis auf den Umsetzungsfahrplan 2011/2012 wird in der Stellungnahme der Gemeinde richtig darauf hingewiesen, dass das Siegwehr Dattenfeld von den Maßnahmen Nr.62 und 69-76 (S.145) betroffen ist. Die Bezirksregierung Köln plant eine Machbarkeitsstudie zur „Verbesserung der Durchgängigkeit für Fischarten und die Beseitigung bzw. Minimierung des Rückstaus“ die seitens der Naturschutzverbände eindeutig unterstützt und im FFH-Gebiet und zur Umsetzung der WRRL an und in der Sieg schon lange überfällig ist. Dem hält die Gemeinde entgegen: „Die Durchgängigkeit ist über eine bestehende Fischaufstiegs-anlage bereits sichergestellt“ und führt sodann die zahlreichen, auch bereits in der Öffentlichkeit ausgebreiteten Argumente ins Feld – u.a. das Betreiben eines Tretbootverleihs (im FFH -Gebiet!) - um das Ergebnis der Machbarkeitsstudie zu beeinflussen. Demnach wäre es „zwingend erforderlich“ historische Bezüge, lokale Traditionen, neben dem Stadt- auch wieder das „Landschaftsbild“, den Denkmalschutz und den Identifikationscharakter zu beachten. Weiter wird behauptet, dass „ein vollständiger oder teilweiser Rückbau des „Wehrkörpers nicht möglich und im Sinne einer Ab-wägung aller bereits vorliegenden Argumente…auch nicht geboten sei“. Dieser Versuch einer Vorfestlegung (Präjudizierung) des Ergebnisses der unverzichtbaren Machbarkeitsstudie ist zurückzuweisen und widerspricht den Aussagen von Bürgermeisterin und Bei-geordnetem in den Gesprächen mit den Naturschutzverbänden unter Beteiligung des Planungs-büros zur Siegpromenade („Drei Fenster zur Sieg“) in Dattenfeld, wo versichert wurde, dass diese Planung vom Siegwehr unabhängig sei und die Frage des Rückbaues des Siegwehres „ergebnisoffen“ geprüft würde (keine Vorfestlegung). Wichtiger Hinweis: In den Planungsunterlagen zur Siegpromenade liegt ein „Fachbeitrag Arten-schutz einschließlich Artenschutzprüfung Stufe I“ vor: Dort wird auf den Seiten 66 bis 86 dargelegt, in welchem Ausmaß der Rückstaubereich trotz behaupteter Passierbarkeit (von Wasserständen abhängig!) des Wehres für eine Vielzahl „siegtypische Fischarten“ eine Problemzone darstellt. Zitat: „Aufgrund des Wehres haben sich im Plangebiet stillgewässerartige Verhältnisse eingestellt, die für den Mittellauf der Sieg untypisch sind. Die Sohle weist einen hohen Anteil an Schlammsedimenten mit einhergehender Nährstoffbelastung auf. …Die für die Fortpflanzung erforderlichen kiesigen Sohlsubstrate sind aufgrund der Schlammsedimente im Plangebiet nicht vorhanden.“ Dadurch sind laut Artenschutzprüfung die natürlichen (Fortpflanzungs-)Bedingungen für die Fisch-arten Schneider, Maifisch, Barbe Nase, Steinbeißer, Groppe, Fluss-, Bach- und Meerneunauge (Rundmäuler), Quappe, Elritze, Lachs Meerforelle und Äsche im gesamten Rückstaubereich „pessimal“, wie es dort heißt. Zwar wird darauf verwiesen, dass umliegend „Ausweichhabitate“
vorhanden wären, was aber aus Sicht der Naturschutzverbände eine Notaussage zur Planungserleichterung darstellt, da sowohl siegabwärts (Herchen, Unkelmühle) als auch siegaufwärts (Schladern) weitere und teils noch längere Rückstaubereichen mit genau denselben Problemen vorliegen. Es muss weiter festgestellt werden, dass die vorgenannten Ausführungen vollumfänglich auch für den künstlichen „Siegwasserfall“ in Windeck-Schladern gelten, wo ebenfalls eine Studie zur Wirksamkeit und Verbesserungsmöglichkeiten der Fischaufstiegsanlage durchzuführen ist. Diese ist unbedingt zu ergänzen um eine Überprüfung bzw. einen Nachweis der Wirksamkeit der Fischschutzmaßnahmen an der Wasserkraftanlage wobei hier auch die Frage des Fischabstieges zu betrachten ist. Dies sollte auch von der Gemeinde Windeck unbedingt eingefordert werden.

3. Hinsichtlich der Maßnahme Nr. 69 am Hufener Bach (Gierzhagener Bach) – Verrohrung am Bau-hof „reduzieren“ – erhebt die Gemeinde zwar keine grundsätzlichen Einwände, greift aber hin-sichtlich der dortigen Erfordernisse und Möglichkeiten der Gewässerrenaturierung eindeutig zu kurz. Beim Gierzhagener Bach handelt es sich um einen ausgewiesenen Strahlursprung für die Sieg und somit um einen zentralen Baustein des NRW- Strahlwirkungskonzeptes, mit dem der gute ökologische Zustand der NRW Gewässer trotz anderer Restriktionen maßgeblich vorangebracht werden sollte. Durch die 33 m lange Komplettverrohrung auf dem Bauhof wird dieser Strahlur-sprung allerdings komplett entwertet und der durch Wasserentnahme und Teichwirtschaft am Unterlauf eh schon gestörte Bach zur Sieg hin total abgebunden. Es war und ist extrem ärgerlich, dass diese Maßnahme somit seit 10 Jahren ansteht und zumindest die technische Machbarkeit schon lange hätte untersucht werden können, aber immer wieder, so trotz einer Zusage seitens des Wasserverbandes bei einem OT in 2012, ignoriert wurde. Und auch jetzt soll die Maßnahme ohne Not bis auf den letzten Drücker (2027) verschoben werden. Weiter ist zu bemängeln, dass nur von einer Verkürzung die Rede ist, es muss unbedingt die komplette Freilegung angestrebt und weitere Verbesserungen des Bachumfeldes auf dem gesamten Bauhof-bereich untersucht und umgesetzt werden. So ist es ein erhebliches Problem, dass der Bauhof den ehemaligen Auenbereich des Baches auf dem Bauhofgelände als Lagerplatz nutzt.

In einer kombinierten Machbarkeits-, Effizienz- und Flächennutzungsuntersuchung des gesamten Bauhofareals könnte dies sicher wesentlich optimiert werden. Unstrittig sind die erforderlichen Maßnahmen 69-73 am Irsenbach, insbesondere im Übergang Mündung) des Baches in die Sieg. Aber auch hier ist kritisch anzumerken, dass diese Maßnahmen nicht schon lange, so mit Blick auf die gesetzliche Vorgabe der Zielerreichung 2015 umgesetzt wurden – siehe hierzu auch Ausführungen unter 4. 4. Generell ist der Umgang der Gemeinde Windeck mit der Umsetzung der WRRL in den 20 Jahren der Gültigkeit der Zielsetzungen - freundlich ausgedrückt - von Nichtzuständigkeit, Unkenntnis und Desinteresse geprägt, verstärkt durch die Delegation der Aufgabe an den Wasserverband Rhein Sieg, der bei jeder Gelegenheit – durchaus zu Recht – auf mangelnde personelle Kapazitäten verweist. Dieses Desinteresse zeigt sich v.a. im Zustand verschiedener kleinerer, nicht berichts-pflichtiger Gewässer, die aber auch unter die Zielvorgaben der WRRL fallen. Ein Beispiel ist der Westertbach, der im Übergang zur Sieg durch einen 55 m langen Tunnel (unter dem Kreisverkehr zur Präsidentenbrücke) stürzt, was dessen ökologische Qualität und die Anbindung an die Sieg erheblich stört und niemanden zu interessieren scheint. Ein weiteres Beispiel sind auch die sogenannten Feuerlöschteiche, die derzeit saniert werden, nahezu alle im Hauptschluss der betreffen-den Gewässer liegen, was schon lange hätte geändert werden müssen. Weiteres Beispiel eines zerstörten Gewässers in der Region ist der Schnörringer Bach, einem Zufluss zum Hufener Bach, der im Bereich der Vierbucher Mühle (Stadt Waldbröl) durch massive, fragwürdige Eingriffe unterbrochen wird, mit erheblichen negativen Konsequenzen, die hier dargestellt werden. Die Naturschutzverbände haben die zögerliche und unwillige Behandlung der EU-Wasserrahmen-richtlinie in Deutschland bereits 2015 zum Gegenstand einer EU Beschwerde gemacht, die sie hier einsehen können und der derzeit intensiv von der EU Kommission aus nachgegangen wird. Wir haben in 2021 hier weitere Beispiele auch aus NRW, u.a. auch aus Windeck, nachgereicht. Wir verweisen auf folgende Pressemitteilung des BUND und die dort verlinkten Informationen. Vor diesem Hintergrund fordern wir Sie daher auf, als Gemeindevertreter*Innen ein Zeichen zu setzen und die Stellungnahme der Gemeinde entsprechend zu verändern und ein positives Signal für eine beschleunigte und konstruktive Umsetzung der wesentlichen Ziele der WRRL bis 2027, auch in unserer Heimatgemeinde zu setzen. Vielen Dank

Mit freundlichen Grüßen

Paul Kröfges für BUND Windeck / RG Köln / LAK Wasser

Zum dazugehörigen WDR-Beitrag

Der Text als Brief (PDF)

Zur Übersicht