Regionalgruppe Köln

Die Agger fließt in Ohl-Grünscheid weiterhin natürlich - kein Wiederaufstau im Frühjahr

20. Mai 2021 | Agger, Energiewende, Flüsse & Gewässer, Kreisgruppe Oberberg, Lebensräume, Naturschutz

Durch eine Kleine Anfrage des Landtagsabgeordneten Norwich Rüße von Bündnis 90/Die Grünen ist der drohende Wiederaufstau von Ohl-Grünscheid vorerst verhindert worden. Dadurch ist erst einmal Zeit gewonnen, dass die Landesregierung zu der Entscheidung kommt, die sich seit 2019 gebildete natürliche Flusslandschaft und die sich bildende Flussaue auf dem niedergelegten Stau zunächst auf Grundlage des Verschlechterungsverbots nach Wasserhaushaltsgesetz zu erhalten, um dann die Entwicklung der gesamten Agger zu einem natürlichen Fluss zu ermöglichen.

 (Friedrich Meyer)

Bekanntlich wurde aus Sicherheitsgründen 2019 nach einer Verfügung der Bezirksregierung Köln die Stauanlage Ohl-Grünscheid niedergelegt, nachdem die Aggerkraftwerke GmbH und CO. KG sich vergeblich vor dem Verwaltungsgericht Köln dagegen gewehrt hatte. Der Richter untermauerte damals den Beschluss vom 4.9.2019 (14 L 1441/19): Die wirtschaftlichen Interessen der Aggerkraftwerke ,"vorläufig weiterhin Nutzen aus dem Betrieb der seit Jahren bekannt schadhaften Stauanlage zu erzielen, muss hinter dem öffentlichen Interesse zurücktreten, konkrete und naheliegende Schäden für erhebliche Sachwerte und möglicherweise für Leib und Leben von Menschen abzuwenden."

Der von der Bezirksregierung Köln für Frühjahr 2021 angekündigte Wiederaufstau nach Einbau eines neuen Stahlwehres, der angeblich rechtlich nicht zu verhindern sei, wie von dem zuständigen Mitarbeiter der Bezirksregierung gegenüber dem Wassernetz NRW Flussgebietskoordinator für die Agger, Friedrich Meyer, vertreten worden war, ist nunmehr von der Umweltministerin Ursula Heinen-Esser gestoppt worden. Der Landtagsabgeordnete Rüße von den Grünen hatte in einer Kleinen Anfrage u.a. schlichtweg gefragt, ob die Landesregierung einen Wiederaufstau der Stauanlage ausschließt, solange diese nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht. Die Antwort von Frau Heinen-Esser: "Der Wiederaufstau der Stauanlage Ohl-Grünscheid wird erst dann erfolgen können, sobald die Stauanlage die Anforderungen nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik erfüllt." Damit ist klar, dass erst nach Maßgabe des Abschlusses der "Vertieften Überprüfung", wozu auch das vom Aggerverband bis 2022 zu erarbeitende Niederschlag-Abfluss-Modell gehört, wiederaufgestaut werden kann. Die Landesregierung geht davon aus, dass dies 2022 erfolgen wird.

Eine Auswertung der Antwort der Ministerin hat das Wassernetz NRW vorgenommen.

Die Bezirksregierung muss sich fragen lassen, warum, warum sie das Landeswassergesetz, das bestimmt, dass Talsperren nach den a.a.R.d.T betrieben werden müssen, nicht durchgesetzt hat? Und, warum sie konkret die seit  2006 bestehende Vorschrift, nach der Talsperren etwa alle10 Jahre nach DIN 19700 vertieft zu überprüfen sind, damit sie den a.a.R.d.T entsprechen, an den Anlagen in der Agger nicht durchgesetzt hat. Stattdessen hat die Bezirksregierung noch Ende 2017 den Bürger*innen weisgemacht, dass eine akute Beeinträchtigung der Sicherheit an keiner  Stauanlagen in der Agger bestehe um dann drei Monate später, am 16.3.2018, eine Ordnungsverfügung gegen die Aggerkraftwerke zu erlassen, den Nachweis, dass die Anforderungen nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik für die Bauteile des Stahlwasserbaus für alle Kraftwerke zu erbringen, was dann letztlich, wiederum nach Einspruch der Aggerkraftwerke, zur Niederlegung von Ohl-Grünscheid geführt hat.

Die Behauptung, dass die Einschätzung und das Vorgehen der Bezirks Regierung Köln in Bezug auf die Stauanlagen an der Agger im Allgemeinen und im Speziellen in Bezug auf die Anlage Ohl-Grünscheid stringent und konsequent  war, ist mutig. Die Bezirksregierung hat Ende 2017, also nach Ablauf der Frist für die Ende 2016 für die vertiefte Überprüfung, das Sicherheitsversprechen an die Bevölkerung des Aggertals abgegeben, obwohl sie bei der  von ihr initiierten Bürgerinformation im Rathaus Engelskirchen am 13. September 2016 geäußert hatte, dass es bei der Wehranlage Ohl-Grünscheid aus dem Jahre 1927, die damals angekündigt, im Sommer 2017 vollständig überprüft und saniert werden sollte, darum gehe, ob die Anlage saniert werden könnte oder verschrottet werden müsste. Außerdem hatte im Juni 2017 der damalige Sachkundige Bürger des NABU im Planungs- und Umweltausschuss des Rates der Gemeinde Engelskirchen Informationen von einem Insider zu der bedenklichen Lage des, wegen der maroden Vernietung, Stahlwehres an das Umweltministerium weitergeleitet.

Wenn jemand für sich in Anspruch nehmen kann, seit Ablauf der Frist für die Abgabe der Untersuchungsberichte Ende  2016 konsequent und stringent für die Sicherheit der Bürger*innen und Bürger eingetreten zu sein, dann sind es die Grünen. Die Engelskirchener Grünen haben unter der Forderung "Sicherheit an den Aggerstaus herstellen" im Frühjahr 2017 eine Ordnungsverfügung ins Spiel gebracht. Die Kreistagsfraktion der Grünen hat im Umweltausschuss (AULV) des Oberbergischen Kreistages einen Beschluss herbeigeführt, der fordert, "dass den berechtigten Sicherheitsbedürfnissen der Anwohner im Aggertal gegenüber den Stauanlagen Rechnung getragen wird. Gleichfalls fordert er, dass endlich die vom Wasserhaushaltsgesetz geforderten Maßnahmen für eine befriedigende Gewässerökologie der Oberen Agger eingeleitet werden. Der AULV erwartet von der Bezirksregierung Köln als zuständiger Vollzugbehörde, dass sie diesbezüglich ihre Aufgaben wahrnimmt und darüber den Oberbergischen Kreis und die betroffenen Kommunen informiert." (04.05.2017) In den Jahren danach haben die Grünen immer wieder in den kommunalen Gremien, im Regionalrat bei der Bezirksregierung Köln und jetzt im Landtag auf die unhaltbaren Zustände an der Agger hingewiesen. Leider werden die Stauanlagen, sofern sie laufen, vier Jahre nach dem Beschluss des AULV immer noch nicht nach den allgemeinen Regeln der Technik betrieben und von Bestrebungen, nach dem Wasserhaushaltsgesetz für eine befriedigende Gewässerökologie zu sorgen, hört man trotz Ankündigung des Ministeriums im Jahre 2016 überhaupt nichts mehr. Dieses hatte angekündigt, in einem einheitlichen geordneten Verfahren, nach Maßgabe der Feststellung der Sanierungskosten und der Kosten zur Herstellung der gesetzlich vorgeschriebenen Durchgängigkeit, der Mindestwasserführung und des Fischschutzes, die Betreiber - mittlerweile gehören die Aggerkraftwerke GmbH & Co.KG des Herrn Christian Auer alle Anlagen - in die Lage zu versetzen, zu analysieren, ob die Wasserkraftnutzung für sie weiterhin Sinn macht. Hier ist man überhaupt noch nicht vorangekommen. Die Aggerkraftwerke haben 2014 erklärt, dass sie als Besitzer alter Rechte mit den Kosten für die gewässerökologischen Vorgaben nichts zu tun haben. Es ist davon auszugehen, dass sie nach wie vor dieser Meinung sind, obwohl sie es nach zwischenzeitlich einschlägigen Urteilen, unter anderem des Bundesverwaltungsgerichtes, besser wissen müssten. Man wolle bis zur letzten Instanz gehen, hat damals das klage- und mittlerweile niederlagenerprobte Unternehmen angekündigt. Bevor die Aggerkraftwerke nicht erklärt haben, dass sie die Kosten nach Wasserhaushaltsgesetz übernehmen, darf auf gar keinen Fall ein Wiederaufstau von Ohl-Grünscheid, das von den NRW-Umweltverbände als NRW-Leuchtturmprojekt für eine effektive und kostengünstige Renaturierung eingeordnet wurde, erfolgen.

Diese und die nächste Landesregierung müssen einen klaren Plan entwickeln, ob sie weiterhin die kostenaufwendige und für die Energiewende untaugliche kleine Wasserkraft fördern oder, in Respekt vor dem Lebensraum Fließgewässer und den Chancen für die Biodiversität, die Agger wieder frei fließen lassen und Auen auf den niedergelegten Stauanlagen ermöglichen wollen.

Kontakt: Friedrich Meyer, Wassernetz NRW Flussgebietskoordinator für die Agger, efmeyer(at)gmx.de

Die Flusslandschaft Ohl-Grünscheid im Mai 2021 bei erhöhtem Wasserstand. Die neu gebildete Aue entwickelt sich prächtig:

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