Regionalgruppe Köln

Fachaufsichtsbeschwerde über die Bezirksregierung Köln

24. April 2023 | Agger, Energiewende, Flüsse & Gewässer, Kreisgruppe Oberberg, Lebensräume, Nachhaltigkeit, Naturschutz

BUND fordert Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes.

Der BUND fordert: Die verschwundene Aggerinsel soll wiederhergestelt werden.  (Friedrich Meyer)

Sehr geehrter Herr Minister Krischer,

Auf Grund einer Reihe von erheblichen aufsichtsrechtlichen Versäumnissen seitens der Be-zirksregierung Köln wende ich mich hiermit persönlich an Sie und bitte dabei  um ihr Ein-greifen im Rahmen der rechtlichen und politischen Möglichkeiten sowie um Ihre Rückmel-dung. Für ein persönliches Gespräch stehe ich gerne zur  Verfügung. Ich verweise auf die abschließend von mir für den BUND erhobenen Forderungen unter Be-zug auf das Umweltschadensgesetz (USchadG), mit der Bitte, dies zu unterstützen und durchzusetzen. Es geht aktuell um folgende Vorgänge:

  1. fehlende Kontrolle erteilter Auflagen hinsichtlich des Wegebaues im Hang bei der Erneuerung eines Wehres am Standort Ohl-Grünscheid (Engelskirchen)
  2. bewusstes Ignorieren nicht genehmigter massiver Bauarbeiten im Gewässer (Agger) am besagten Standort
  3. Hinnahme der Entnahme von erheblichen Mengen Geschiebe (Kies) aus dem Ge-wässer (Agger) am besagten Standort
  4. Hinnahme des Abbaggerns einer kompletten Flussinsel im Gewässer mit nicht unbe-deutenden Biotopstrukturen
  5. Nichtbeantwortung einer UIG Anfrage nach einer Frist von 4 Wochen (Anfrage zu Baumaßnahmen an und in der Agger vom 22.3.2023)
  6. Nichtbeantwortung einer UIG Anfrage nach einer (akzeptierten) Frist von 8 Wochen (Anfrage u.a. zur Abwasservorbehandlung im Currenta-Chempark Leverkusen vom 22.2.2023)

Hierauf muss ich aus konkretem und aktuellem Anlass detailliert eingehen, verweise aber mit folgender Liste auf vorhergehende Fehlleistungen der Bezirksregierung Köln, die teilweise mit den aktuellen Vorgängen zusammenhängen. Näheres hierzu ergibt sich aus den aktiven Verlinkungen.

Liste über vorhergehende Fehlleistungen der Behörde an der Oberen Agger:

  • mangelnde Überwachung/Überprüfung von Schwallbetrieb (Ehreshoven !)
  • Anlegen einer Baustraße im Gewässer (Agger) bei Ehreshoven 1 (2022)
  • Genehmigung einer erklärtermaßen nicht funktionierenden Fischtreppe (siehe dort S.20!) am Wehr Osberghausen (2016)
  • nicht ausreichende Mindestwasserführung für altes Aggerbett bei Ehreshoven 1
  • zu lange geduldete marode Wehranlage Ohl-Grünscheid
  • Auftreten von Legionellen im Ablauf Kläranlage Wiehl und dem Wehrüberlauf Wiehlmünden (Gegenmaßnahmen erst nach Skandalaufdeckung und öff.Bericht)
  • desolate und nicht vorhandene Durchgängigkeit an den 6 Stau- und Wasserkraftanlegen der Oberen Agger, die entgegen den Vorgaben der WRRL erst 2039 umgesetzt werden soll – u.a. Teil der Klage des BUND gegen das Land.

Sachverhalt:
Auf Grund der Eindrücke eines Ortstermines an der Agger, bei Ohl-Grünscheid, richtete der Unterzeichner am 22.3.23 eine UIG Anfrage an die Bezirksregierung Köln, die dann für den WDR Anlass einer Presseanfrage war. Diese wurde – im Gegensatz zu unserer UIG-Anfrage - unmittelbar beantwortet, mit folgender, erstaunlichen Aussage:

„An der Stauanlage Ohl-Grünscheid wird der Austausch des Wehrsegments vorbereitet. Für diese Tätigkeit mussten an einem bestehenden Weg einzelne Bäume beschnitten werden. Diesen Gehölzarbeiten wurde unter Auflagen zugestimmt. Diese berücksichtigen die natur-schutz- und artenschutzrechtlichen Belange. Bspw. sind Baumrodungen und Fällungen zu unterlassen. Es wurden jedoch im Bereich der Zuwegung mehrere Bäume durch ein Unwetter entwurzelt bzw. beschädigt. Die Sturmschäden wurden anschließend beseitigt.
Thema Ausbaggern des Agger-Bettes:
Für das Ausbaggern und Umlagern von Kiesbänken wurde von der Bezirksregierung Köln keine Genehmigung oder Freistellung erteilt. Aktuell wird die Einleitung eines Ordnungs-widrigkeitsverfahren geprüft.
Vanessa Nolte, Pressestelle Bez.-Regierung Köln, 22.3.23

Da sich bei näherer Überprüfung der Situation vor Ort und dem Vergleich mit älteren Bil-dern (2020 und 2022) das Fehlen einer kompletten bewachsenen Kiesinsel im Gewässer herausstellte, hat der Unterzeichner daher am 27.3.2023 für den BUND Strafanzeige gegen den Betreiber der Wasserkraftanlagen an der Agger bei der Staatsanwaltschaft Köln eingereicht.
Obwohl das Agieren der Bezirksregierung bereits zu diesem Zeitpunkt als grenzwertig empfunden wurde – Zitat aus der Strafanzeige: „Es ist für ehrenamtlich arbeitende Natur-schützer daher nicht nachzuvollziehen, mit welcher Langmut und welcher Nachlässigkeit die zuständige Bezirksregierung hier agiert, den Betreiber gewähren lässt und massive Bauarbeiten im Gewässer monatelang nicht mitbekommt und zu keinem Zeitpunkt ir-gendeine Kontrollfunktion wahrgenommen hat.“ – verzichteten wir zu diesem Zeitpunkt auf eine Strafanzeige gegen diese Behörde, behielten uns aber die Forderung einer dienst-rechtliche Überprüfung vor.
Der WDR berichtete sodann am 29.3.23 in mehreren Lokalzeiten -Video siehe hier - über den Sachverhalt.
Nach genauerer Prüfung des entstandenen Umweltschadens und des Agierens der Bezirks-regierung Köln sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass das Verhalten der Kölner Be-hörde nicht mehr hinnehmbar ist und bestimmte Konsequenzen erforderlich sind.

Unter Bezug auf die eingangs aufgezählten Vorgänge 1 bis 6 müssen wir feststellen:

Zu 1.:
Der „bestehende Weg“ wurde massiv verbreitert, zahlreiche Bäume, auch über angebliche Sturmschäden hinaus beseitigt, der Hang wurde angeschnitten und verbreitert, der Weg selbst wurde mit Kies, offensichtlich aus dem Gewässer, der Agger entnommen, abgedeckt und stabilisiert und ist auch ein halbes Jahr nach Abschluss der Bauarbeiten nicht zurückge-baut worden. Der Zeitpunkt der Arbeiten ist unklar, es ist davon auszugehen, dass mindestens die Kiesaufbringung (aus der Agger!) sich bis März, April und länger hinzog. Wir behaupten, dass Vertreter*Innen der Bezirksregierung Köln die erteilten Auflagen zu keinem Zeitpunkt vor Ort überprüft haben, zumal dann andere massive Eingriffe hätten auffallen müssen. Der Vorwurf der nahezu vollständig „fehlenden Kontrolle vor Ort“ wird daher umfassend und auf alle Vorgänge bezogen, erhoben.

zu 2.:
Unter Bezug auf die Aussage der Pressestelle vom 22.3.23, dass für das „Ausbaggern und Umlagern von Kiesbänken keine Genehmigung oder Freistellung erteilt“ wurde, und jetzt, 2023, die „Einleitung eines Bußgeldverfahrens geprüft wird“, muss der Bezirksregierung Köln eine erhebliche Betriebsblindheit unterstellt werden. Mit Email vom 23.11.2022 hatte Herr Friedrich Meyer, Engelskirchen, wegen der Baumaß-nahmen angefragt und Bilder übersandt, auf denen u.a. massivste Eingriffe im Flussbett sowie Baufahrzeuge auf einer Bauplattform im Gewässer zu sehen sind.

Da stellt sich wirklich die Frage, wieso keiner der beteiligten Beamten und auch nicht die Behörde als solche auf die Idee kam, Genehmigungen und Auflagen mit der Wirklichkeit abzugleichen und bei solch massiven Eingriffen auch mal genauer hinzuschauen. Hier vier Bilder aus Juni und August 2022, die die Massivität des Eingriffes in das Gewässer-bett deutlich zeigen – eine komplette Baustraße in der Agger, auf der dann letztlich der Transport der Wehrklappe erfolgte und die dann von schwersten Baufahrzeugen befahren wurde - eine beispiellose Rücksichtslosigkeit, erklärtermaßen ohne jede Genehmigung.

Unabhängig von diesem Hinweis im November 2022 ist es Tatsache, dass die nicht geneh-migten Bauarbeiten im Flussbett sich nachweislich über mehr als 10 Monate hinweg hinzo-gen und im gesamten Zeitraum ganz offensichtlich kein einziges Mal von der Bezirksregie-rung Köln eine Bau-/Auflagenkontrolle durchgeführt wurde oder diese mit geschlossenen Augen und/oder mit dem Willen, nichts Illegales zur Kenntnis nehmen zu wollen, durchge-führt wurde.
Anders ist es nicht zu erklären, dass insgesamt ein Jahr später, erst nach Eingang einer UIG-Anfrage des Unterzeichners und einer WDR Anfrage die Bezirksregierung erklärt, jetzt „die Einleitung eines Bußgeldverfahrens“ prüfen zu wollen, wegen nicht genehmigter Ar-beiten im Gewässer. Man hat de facto vorher über ein Jahr lang nichts vor Ort überprüft.

Zu 3 und 4:
Ganz offensichtlich, materialmäßig belegt und von Zeugen vor Ort (Angler) beschrieben, hat der Betreiber erhebliche Mengen Kies aus dem Gewässerbett gebaggert und diesen so-wohl für die Baustraße im Gewässer als auch für die Verbreiterung/Stabilisierung der Baustraße im Hang verwendet. Dabei wurde ganz nebenbei eine komplette, bewachsene Insel im Fluss beseitigt, die ein wichtiges Trittsteinbiotop darstellte. Die Beseitigung wurde vom Unterzeichner erst per genauem Bildvergleich festgestellt und muss nach dem 10.2.2022 (letztes Bild mit Insel) erfolgt sein. Dies bedeutet eine beson-dere Rücksichtslosigkeit, die nicht ohne Konsequenzen bleiben darf. Es wird hierzu erneut auf die Strafanzeige des BUND, dort S.16, sowie die Berichte im WDR verwiesen.

Zu 5 und 6: Auch heute, am 24.4.2023 liegen die Antworten auf die UIG-Anfragen vom 22.3.2023 so-wie vom 22.2.2023 der BUND Regionalgruppe Köln nicht vor. Hierüber beschweren wir uns in aller Form und müssen dies leider als Bestätigung unserer äußerst negativen Einschät-zung der Arbeitsweise dieser Behörde sehen.
Wir behalten uns rechtliche Schritte vor, sehen Sie, bzw. Ihr Haus aber gefordert, die Be-zirksregierung Köln auch in dieser Hinsicht zu überprüfen und zu klären, woran diese nicht rechtskonforme Arbeitsweise liegt.

Fazit und Forderungen des BUND NRW e.V.:
Sehr geehrter Herr Minister,
Wir gehen davon aus, hier belegt zu haben, dass die Bezirksregierung Köln seit vielen Jah-ren in der Gewässeraufsicht an der Agger nicht pflichtgemäß handelt, zahlreiche Fehlhand-lungen und Versäumnisse, aber auch in anderen Bereichen, siehe Currenta, zu verantwor-ten hat, die nur z.T. mit Überlastung und mangelnder personeller Kapazität erklärt werden können.
Wir fordern Sie daher auf, anlässlich des gravierenden aktuellen Falls hinsichtlich der nicht genehmigten Baumaßnahmen in der Agger bei Ohl Grünscheid die Arbeits- und Handlungs-weise der Bezirksregierung Köln zu überprüfen, zu bewerten und nach Sachlage entspre-chend organisatorische und personelle Konsequenzen zu ziehen. Hinsichtlich des im Gewässer angerichteten Schadens beziehen wir uns auf das Umwelt-schadensgesetz (USchadG) und fordern, dass der Verantwortliche (Auer-holding als Betrei-ber) unter Bezug auf die §§ 6 bis 9 durch die zuständige Behörde zur primären Sanierung im Sinne der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes auf eigene Kosten verpflich-tet wird. Unter Bezug auf § 10 des USchadG fordern wir die zuständige Behörde zur Durchsetzung der Sanierungspflicht auf und gehen davon aus, dass Sie als Aufsichtsbe-hörde die zuständige Behörde – Bezirksregierung Köln, die ja „nur“ ein Bußgeldverfahren „prüfen“ will – entsprechend informieren und dies veranlassen werden.

Wir verweisen darauf, das wir nach § 11, Absatz 2 als BUND NRW e.V. unter Bezug auf das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz in diesem Fall klageberechtigt wären und dies dann auch prüfen würden.

Mit freundlichen Grüßen
Paul Kröfges, Sprecher der Regionalgruppe Köln des BUND NRW e.V.

Fachaufsichtsbeschwerde als PDF

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