Regionalgruppe Köln

Gelingt der Rückbau des Aggerwehrs in Troisdorf?

04. April 2022 | Agger, Flüsse & Gewässer, Kreisgruppe Rhein-Sieg, Lebensräume, Naturschutz

Das Aggerwehr bei Troisdorf ist ein großer Hemmschuh für die Gewässerökologie des Aggersystems. Es liegt nur etwa 380 m von der Mündung der Agger in die Sieg entfernt und beeinträchtigt damit fast den gesamten Aggerlauf und wertvolle Nebengewässer der Agger wie die Naaf oder die Sülz.

Der Fischpass um das Aggerwehr bei Troisdorf setzt sich immer wieder zu. Der Fischpass um das Aggerwehr bei Troisdorf setzt sich immer wieder zu.  (Paul Kröfges)

Im Jahr 2005 war die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) noch in den Kinderschuhen, die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH) erst dreizehn Jahre alt und in Deutschland wenig gut gelitten. In der Folge wurde damals an der unteren Agger der Aufstau durch ein festes Wehr zur Ableitung von Kühlwasser erneut erlaubt, bis zum 30.12.2035. Im Jahr 2027 müssen aber nicht nur die Gewässer wie die Agger in einen guten ökologischen Zustand, sondern auch das Fauna-Flora-Habitat-Gebiet der Agger in einen guten Erhaltungszustand versetzt worden sein. Beiden Zielen steht das Wehr entgegen. Nun trifft es sich, dass die Vorgabe aus den Bescheiden, ein funktionierender Fischdurchlass müsse gewährleistet sein, an den Defiziten des damals neu gebauten Umgehungsgerinnes scheitert. Es setzt sich immer wieder mit Geschiebe zu. Zugleich hat das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) in seinem „Fachgutachten Fische“ vom 18.09.2020 als Teil des FFH-Maßnahmenkonzeptes für die Agger festgestellt, dass der Anstau nachteilige Folgen für das Schutzgebiet hat. Das war zwar auch im Jahr 2005 schon allen bekannt, sollte damals aber aus wahrscheinlich politischen Gründen keine Rolle spielen. Statt schon 2005 wie vom BUND gefordert nach einer grundsätzlichen Bewältigung der Probleme zu suchen, etwa durch eine Entnahme des Kühlwassers aus der freien Welle oder einen weitgehend geschlossenen Kühlkreislauf der betroffenen Industrieanlage, erfolgten die wasserrechtlichen Erlaubnisse und 2007 eine naturschutzrechtliche Befreiung mit der Annahme, das Bauwerk sei ja auch schon zum Zeitpunkt der FFH-Gebietsmeldung vorhanden gewesen und deshalb nicht entsprechend zu prüfen. Zu dieser Sachlage hat sich indes 2021 der EuGH mit einer Entscheidung zu einem Fall in Spanien geäußert. Er hat in seinem Urteil vom 24. Juni 2021 – C 559/19 – entschieden, dass die „Fortführung der gegenwärtigen Praxis“ eines Eingriffs (im Bezugsfall die Entnahme von Grundwasser) eine Störung der geschützten Lebensräume nicht rechtfertigt (RNr. 170 des Urteils). Die Behörden, Bezirksregierung wie Kreisverwaltung, haben also rechtswidrig entschieden als sie auf einen FFH-Prüfung bewusst und expressis verbis verzichteten.

Nun fehlt allen Bescheiden die erforderliche und hier auch entscheidende FFH-Verträglichkeitsprüfung. In Verbindung mit der nicht erfüllten Auflage der geforderten Fischdurchgängigkeit und der endlich erfolgten Klarstellung der Negativwirkungen des konkreten Wehrs im Rahmen des „Fachgutachtens Fische“ im FFH-Maßnahmenkonzept sind damit alle Grundlagen gegeben, die wasserrechtlichen Erlaubnisse zu widerrufen und den naturschutzrechtlichen Befreiungsbescheid wegen Rechtsmängeln aufzuheben. Der BUND Rhein-Sieg hat den Fall entsprechend aufgearbeitet und dem Landesumweltministerium zur Durchsetzung des Rechtsvollzugs vorgelegt – Ausgang noch offen. Der Fall lehrt aber, dass es lohnt, rechtliche Schutzvorgaben von Anfang an couragierter umzusetzen. Vermeintliche Kompromisse und das Spielen auf Zeit kosten viel Geld und personellen Aufwand ohne die gesteckten Schutzziele und dauerhafte Lösungen zu erreichen.

Die Zukunft des Troisdorfer Mühlengrabens und des Wasserzuflusses in den Graben ist übrigens nicht zwingend mit einem Wehr verknüpft. Es ist möglich, einen Wasserzufluss durch eine Wasserableitung weiter flussaufwärts der Agger sicherzustellen. Die Ableitung kann z.B. durch eine flussaufwärts verlege Mündung des Mühlengrabens (offen oder als Zuleitung) oder eine Entnahme durch ein unterschlägiges Schöpfrad sichergestellt werden. Auch die zusätzliche Wasserversorgung des Altarms an der Sieg wäre damit sichergestellt, sollte aber unabhängig davon ohnehin bei einer anstehenden Siegrenaturierung grundsätzlich verbessert werden.

Achim Baumgartner
(BUND Rhein-Sieg)

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