Gemeinderat Engelskirchen besteht auf Vollzug des Wasserhaushaltsgesetzes

21. Mai 2024 | Agger, Flüsse & Gewässer, Kreisgruppe Oberberg, Lebensräume, Naturschutz

In der letzten Gemeinderatssitzung der Gemeinde Engelskirchen forderten die Ratsmitglieder den Regierungspräsidenten Köln zur Einhaltung der Gesetzesbestimmung für die Mindestwasserführung im alten Aggerbett auf. Der Wassernetz NRW Flussgebietskoordinator für die Agger, Friedrich Meyer, gab dazu folgende Presseerklärung raus. Der Aggerbrief befasst sich zudem mit der Ausrede der Bezirksregierung Köln.

Aggerbett Seit Jahren lässt die Bezirksregierung es zu, dass entgegen der gesetzlichen Bestimmungen zu wenig Wasser im alten Aggerbett verbleibt. Die Ableitung von zu viel Wasser für die Aggerkraftwerke war für alle Landesregierungen bislang wichtiger als die Herstellung gesetzeskonformer Zustände im Sinne des Naturschutzes für das alte Aggerbett (Mutterbett).  (Wassernetz NRW/ Friedrich Meyer)

Presseerklärung Wassernetz NRW Flussgebietskoordinator Agger

Der einstimmige, ohne Enthaltung, gefasste Beschluss des Gemeinderates Engelskirchen zur Einhaltung des Gesetzes zur Mindestwasserführung im alten Aggerbett wird vom Wassernetz NRW, dem Zusammenschluss der Naturschutzverbände im Gewässerbereich, begrüßt. Dass der Regierungspräsident zehn Jahre nach dem Beschluss des Gemeinderates  in gleicher Sache an seine Zusage ermahnt werden muss, die in  Aussicht gestellte Umsetzung der Europäische Wasserrahmenrichtlinie endlich Realität werden zu lassen, ist ein Skandal. Die Bezirksregierung Köln, aber vor allem die Umweltminister*innen der Landesregierungen in den letzten 10 Jahren müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, dass ihnen das Wirtschaftsergebnis der Aggerkraftwerke GmbH & Co.KG wichtiger ist als  ein gesetzeskonformer Zustand im alten Aggerbett zur Gewährleistung eines Lachshabitats.

Es ist ein schlechter Witz, dass das Land NRW die Agger bis zum Wehr 3 Türme am Stau Ehreshoven 1 schon im Jahr 2013 als Zielartengewässer Lachs vorgestellt,  Millionen von Euro für den künstlichen Besatz von Lachsbrut in NRW ausgegeben hat aber im alten Aggerbett nicht dafür gesorgt hat, dass durch eine festgelegte Mindestwasserführung die Lachse nach ihrer Rückkehr aus dem alten Atlantik hier in ein natürliches Laichgebiet gelangen können.

Das Ziel des Wanderfischprogramms des Landes NRW ist die sich selbst reproduzierende Lachspopulation. Um diesem Ziel näher zu kommen, ist es wichtig, dass im alten Aggerbett genügend Wasser ist. Wir wünschen dem Rat der Gemeinde Engelskirchen in seiner Auseinandersetzung mit dem Regierungspräsidenten Köln und der Landesregierung Beharrungsvermögen und viel Erfolg.

Ausrede der Bezirksregierung Köln

Die nach zehn Jahren erneut gefasste Aufforderung an den Regierungspräsidenten Köln, dafür Sorge zu tragen, dass die Aggerkraftwerke GmbH & Co.KG genügend Wasser in der Ausleitungsstrecke, dem alten Aggerbett, belässt, hat dort eine Reaktion hervorgerufen. Der Redakteur der Oberbergischen Volkszeitung, Lutz Blumberg, ist der Sache bei der Bezirksregierung Köln nachgegangen. Er erhielt eine Ausrede, die nichts mit dem Sachverhalt zu tun hat.

Grundlage für eine Regelung, so Dirk Schneemann von der Bezirksregierung Köln, sei ein Niederschlags-Abfluss-Modell (N-A-M). Solche N-A-M erfassen sämtliche Wasserströme im Einzugsgebiet eines Gewässers, seien es natürliche oder künstliche. Diese N-A-M werden vor allem gebraucht, um die Sicherheit der Stauanlagen zu berechnen. Damit man weiß, was mit den Wehren, Dämmen und Stauanlagen passiert, falls es zu solchen Starkregenereignissen kommt wie an der Ahr und an der Erft im Sommer 2021, müssen die Wasserkraftbetreiber sogenannte "Vertiefte Überprüfungen" mit verschiedenen Berechnungen, u.a. dem N-A-M vorlegen. Die Agger-Anlagen Ehreshoven I und II, Ohl Grünscheid, Haus Ley und Wiehlmünden haben alle noch nicht die "Vertieften Überprüfungen" abgeschlossen, weil man sich mit der Erarbeitung des N-A-M sehr viel Zeit gelassen hat obwohl die Grundlage für die Berechnung detailliert in dem NRW Merkblatt 46 "Ermittlung von Bemessungsabflüssen nach DIN 19700" seit 2004 vorliegt. Gesetzlich vorgeschrieben war die Vorlage der "Vertieften Überprüfung" bei den genannten Stauanlagen bis zum 20. September 2016. Soweit zum Thema Sicherheit.

Natürlich kann man die erhobenen Daten des N-A-M auch für die Umsetzung der flussökologischen Vorschriften des Wasserhaushaltsgesetzes gebrauchen, also § 33 Mindestwasserführung, § 34 Durchgängigkeit und § 35 Fischschutz. Ein N-A-M ist aber nicht Voraussetzung für die Berechnung einer Mindestwasserführung. Wie die Mindestwasserführung im konkreten Fall errechnet werden kann, hat eine Arbeitsgruppe aus Vertretern des Bundes und der Ländern (Bund - Länder Arbeitsgruppe Wasser LAWA) in den  "LAWA Empfehlung zur Ermittlung einer ökologisch begründeten Mindestwasserführung in Ausleitungsstrecken von Wasserkraftanlagen" seit Jahren dargestellt.

Die Mindestwasserführung ist keine feststehende Größe. Sie richtet sich nach den hydrologischen Gegebenheiten vor Ort und den ökologischen Erfordernissen im Einzelfall, wie das Bundesverwaltungsgericht in einem Beschluss von 2017 nochmals festgestellt hat. Für die Ausleitungsstrecke, dem alten Aggerbett, ist rechtlich von Bedeutung, dass diese im Rahmen sogenannter "alter Rechte" erlaubt wurde. Die Menge des im Fluss verbleibenden Wassers, das nicht zur Stromerzeugung genutzt werden darf, wurde nicht im Rahmen einer beantragten Erlaubnis erteilt. Die Aggerkraftwerke müssen für ihre Anlagen (Ausnahme Osberghausen) nicht in Abständen neue Erlaubnisse beantragen. Der Staat hat aber die Möglichkeit, diese alten Rechte nachträglich entschädigungslos anzupassen (siehe Seite 15 der LAWA Empfehlung).

Das Verfahren zur Ermittlung einer ökologisch begründeten  Mindestwasserführung orientiert sich an den Bedürfnissen der Gewässerorganismen. Es besteht aus mehreren aufeinander aufbauenden Einzelschritten, die auch Untersuchungen vor Ort umfassen. Das von der LAWA vorgestellte Verfahren ist sehr differenziert und bietet die Möglichkeit, für alle Gewässersituationen die jeweiligen passenden Mindestwasserführungen zu ermitteln. Es hat nicht zur Voraussetzung, dass ein N-A-M erarbeitet wird. Insofern ist die Aussage des Sprechers der Bezirksregierung Köln, "Grundlage" für eine Regelung der Mindestwasserführung sei ein N-A-M, falsch. Das Problem besteht vielmehr in dem jahrelang gezeigten fehlenden Willen, eine Mindestwasserführung zu ermitteln und festzulegen. Dazu passt auch, dass die Landesregierung die LAWA Empfehlung bislang nicht zu einem Erlass verarbeitet hat, wodurch sie verbindlich geworden wäre. Stattdessen bemerkt die Landesregierung bei der Vorstellung der LAWA-Programmmaßnahme 061 zur Gewährleistung des erforderlichen Mindestabflusses, dass pauschale Aussagen zur Mindestwasserführung der Ausleitungsstrecken nicht möglich seien und die ökologisch vertretbare Mindestwassermenge im Einzelfall ermittelt werden muss. Sie verweist dabei nicht auf die LAWA Empfehlung, an der Mitarbeiter*innen des Umweltministeriums mitgearbeitet haben und die der Nachweis ist, dass hier nicht pauschal vorgegangen wird sondern dass hier das Instrumentarium für die Lösung des  Einzelfalls vorliegt.

Natürlich ist eine Festlegung einer Mindestwasserführung für eine Ausleitungsstrecke nur sinnvoll, wenn die entsprechende Stromgewinnung fortgesetzt wird. Wird die Anlage zurückgebaut, braucht man keine Festlegung der Mindestwasserführung mehr.   In dem Zusammenhang ist auch auf den Hinweis der LAWA zu verweisen: "Mindestwasserführungen, die basierend auf dem hier empfohlenen Verfahren ermittelt werden, können Beeinträchtigungen, die durch Wasserbenutzungen entstehen, lediglich mindern. Der mehr oder weniger stark ausgeprägte Verlust des standorttypischen Fließgewässerlebensraums im Staubereich eines Wehres kann jedoch nicht vermindert oder ausgeglichen werden." Ob die Anlagen Ehreshoven I und II  mit der auf Schadensminderung ausgelegten Mindestwasserführung in der Ausleitungsstrecke nun längerfristig bleibt oder im Sinne der Flussökologie und / oder unter betriebs- und volkswirtschaftlichen Aspekten zurückgebaut werden sollten, dazu ist seit Jahren von den verschiedenen Landesregierungen nichts zu hören. Die Politik bestand darin, dem Betreiber Informationen für notwendige Investitionen in Aussicht zu stellen, was dann jahrelang nicht geschah. Eine Aussage dazu, was hier im Sinne des Gemeinwohls ist oder gar die Vorlage eines vom Bundesverwaltungsgericht allgemein geforderten "kohärenten Gesamtkonzept" für die Agger, ist bislang unterblieben. Stattdessen die allallgemein Plattitüden von der vermeintlichen Bedeutung der Kleinen Wasserkraft für den Klimaschutz verbunden mit dem falschen, bzw. nicht erfüllbaren, Versprechen, die Wasserkraftstandorte unter ökologischen Aspekten weiterzuentwickeln (Koalitionsvertrag Schwarz / Grün). Vielleicht ändert sich ja im Zuge der Erarbeitung der NRW Zukunftsstrategie Wasser einiges (siehe Meldung 21.05.2024).

Ratsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Engelskirchen - Antrag zur Ratssitzung am 24.4.2024

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