Regionalgruppe Köln

Aggerverband - Glück- und Transformationswunsch zum Hundertsten

12. Dezember 2023 | Agger, Flüsse & Gewässer, Kreisgruppe Oberberg

Brief an Dr. Moshage, Vorstand des Aggerverbandes und Ulrich Stücker, Vorsitzender des Verbandsrates des Aggerverbandes.

Im Anschluss an die Verbandsversammlung feierte der Aggerverband in der Holsten Mühle seinen 100.sten Geburtstag. Im Bild Dr. Matthias Börger vom MUNV, der gratulierte, aber auch die Defizite der Wasserwirtschaft  aufzeigte und eine Wasserstrategie des Landes NRW ankündigte. Hierzu gaben ihm die Aggerfreunde einige wertvolle Hinweise für den Aggerfluss mit auf den Weg. Im Anschluss an die Verbandsversammlung feierte der Aggerverband in der Holsteinmühle seinen 100.sten Geburtstag. Im Bild Dr. Matthias Börger vom MUNV, der gratulierte, aber auch die Defizite der Wasserwirtschaft aufzeigte und eine Wasserstrategie des Landes NRW ankündigte. Hierzu gaben ihm die Aggerfreunde einige wertvolle Hinweise für den Aggerfluss mit auf den Weg.  (Paul Kröfges)

Brief als PDF oder im folgenden als Text:

Sehr geehrter Herr Dr. Moshage, sehr geehrter Herr Stücker,

die Herausgeber des Aggerbriefes, senden dem Aggerverband zum 100-jährigem Bestehen  einen Glückwunsch und danken für die Leistungen, die Sie für die  Menschen im Verbandsgebiet erbracht. Unser Glückwunsch umfasst auch den Wunsch, dass der Aggerverband in der Klimakrise sein selbst gestecktes Ziel, die Schaffung einer lebendigen Flusslandschaft, erreicht. Dafür ist unserer Ansicht nach eine tiefgreifende Transformation der Oberen Agger notwendig.

Der Elefant im Raum der Oberen Agger

Wir wünschen uns, dass der Aggerverband den Elefanten im Raum, bzw. die Elefanten im Raum der Oberen Agger, endlich erkennt und sich mit ihnen auseinandersetzt. Wenn Sie, wie es in der Strategie "Aggerverbandes im Jahr 2030" (AV 2030) 2019 beschlossen haben, den Naturhaushalt der Gewässer erhalten bzw. ökologisch verbessern wollen, dann muss man sich mit den Elefanten, sprich den Stauanlagen, auseinandersetzen. Die Reihe der Stauanlagen, die an der Oberen Agger in Engelskirchen eine Staulandschaft bilden, sind das Gegenteilvon von lebendiger Flusslandschaft.

Das Wort "Stauanlagen" kommt in der Strategie des Aggerverbandes ein einziges Mal vor und zwar lediglich im Zusammenhang mit der Stromproduktion, wobei Stromproduktion an den Talsperren und Stromproduktion an den Stauanlagen in einen Topf geworfen werden. Doch während die Stromproduktion an den Talsperren auch aus Klimaschutzgründen stattfinden und noch bestmöglichst ausgebaut werden muss, steht die Menge an Strom aus den Stauanlagen von Agger und Wiehl in keinem Verhältnis zu den ökologischen Schäden. Dagegen stehen die Vorteileile einer natürlich fließenden Agger mit ihren wiederherzustellenden Auen auf den niedergelassenen Stauanlagen für den Natürlichen Klimaschutz und den Artenschutz.

Zustimmung zum Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz der Bundesregierung

Wir würden uns freuen, wenn der Aggerverband den Beschluss des Bundeskabinetts vom 29. März diesen Jahres zum Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz, genauso begrüßen würde wie wir:

"Die großen Potentiale naturnaher Fließgewässer- und Auen sollen für den Natürlichen Klimaschutz, zur Klimaanpassung und zur Sicherung der biologischen Vielfalt genutzt werden. Wo immer es möglich ist, sollen naturnahe Fließgewässer und Auen bewahrt oder wiederhergestellt werden. Naturschutz, Klimaschutz und die Anpassung an die Klimakrise (Hochwasserschutz und Verbesserung des Landschaftswasserhaushalts) müssen dabei grundsätzlich gemeinsam betrachtet und bei der Maßnahmenumsetzung berücksichtigt werden. Insbesondere die Rückgewinnung und funktionale Wiederanbindung von natürlichen Retentionsräumen und Förderung nachhaltiger Nutzungsweisen sind dabei von wesentlicher Bedeutung." S.22

Zwar werden die wiederhergestellten Aggerauen nach Rückbau der Agger-Stauanlagen überschaubar sein. Aber Natürlicher Klimaschutz fängt nicht erst am Amazonas an. Ohne Rückbau der Stauanlagen und Wiederherstellung der Aggerauen kein zusätzlicher Natürlicher Klimaschutz, keine weitere Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre. Stattdessen weiterhin klimaschädliche Methanproduktion in den Stauanlagen. Insofern drängen wir darauf, dass der Aggerverband sich nicht mehr, wie in der AV 2030 festgelegt, für die Wasserkraftnutzung in der Region "stark macht".

Die Bundesregierung spricht davon, dass Natürlicher Klimaschutz und der erforderliche Ausbau erneuerbarer Energien eng aufeinander abgestimmt werden. Es geht deshalb nicht nur schlicht um mehr regenerativen Strom, wie auch immer und wo auch immer er produziert wird. Für die Agger heißt dies Vorrang des Natürlichen Klimaschutzes durch Rückbau der Stauanlagen und Wiederherstellung der Aggerauen sowie Herstellung des Guten Zustands einerseits und Hebung der Potentiale regenerativer Energie an den Wasserkraftanlagen der Genkel- und Wiehltalsperre andererseits. Für beide Handlungsnotwendigkeiten wurden in den letzten Jahren positive Beispiele erreicht:

So die Wiederherstellung der Aggeraue auf dem Gebiet der wegen des maroden Wehrs 2019 niedergelegten Stauanlage in Engelskirchen Ohl-Grünscheid für den Natürlichen Klimaschutz mit Verbesserung der Morphologie und damit einhergehender Artenvielfalt der aquatischen Lebewesen. Die streng geschützte Äsche  wurde dieses Jahr in dem befreiten Flussabschnitt durch Angler und Naturschützer erstmals nachgewiesen.

So aber auch die Modernisierung der Wasserkraftanlage an der Aggertalsperre durch die Aggerenergie für den Technischen Klimaschutz. Für die Wasserkraftanlagen an der Wiehl- und der Genkeltalsperre, die der Aggerverband im Gegensatz zur Aggertalsperre selber betreibt, sollte sich der Verband allerdings stark machen. Hier ist nach unserem Kenntnisstand noch ein höherer Stromertrag durch Modernisierung erreichbar.

Wir warten auf die Positionierung der Landesregierung zur Bedeutung des Rückbaus der Stauanlagen für die Flussökologie

Es ist uns bewusst, dass der Aggerverband nur, bis auf die Wasserkraftnutzung seiner Stauanlage in Osberghausen, einen begrenzten Einfluss auf die weitere Entwicklung der Agger hat. Es ist den NRW-Landesregierungen anzulasten, dass sie nach Verabschiedung der Europäischen Wasser-Rahmenrichtlinie  (EU-WRRL) im Jahr 2000 an der Oberen Agger nichts zustande gebracht haben. Im Dezember 2003 erschien verwaltungsintern die von der Bezirksregierung Köln in Auftrag gegebene "Studie zur Herstellung der Durchgängigkeit der Agger und ihrer Zuflüsse". Diese untersuchte in der ersten Variante den Rückbau aller Querbauwerke im Aggereinzugsgebiet einerseits und in der zweiten Variante Rückbau nur außerhalb der Oberen Agger und Wiehl und Fisch Auf- und Fischabstiegsanlagen in der oberen Agger und der Wiehl andererseits. Die Studie kam durch eine Methodik, die an dieser Stelle nicht weiter behandelt werden soll, zu dem Ergebnis: "Aus ökologischer Sicht gibt es daher keine wesentlich bevorzugte Variante zur Herstellung der Durchgängigkeit des Aggersystems."

Aus heutiger Sicht ist die Studie zutiefst ärgerlich und unhaltbar. Wir verweisen in diesem Zusammenhang auf

-   das Memorandum Deutscher Fachwissenschaftler:innen zum politischen
    Zielkonflikt Klimaschutz versus Biodiversitätsschutz bei der Wasserkraft vom
    4. November 2021

-   die Nationale Wasserstrategie der Bundesregierung vom 15. März 2023

-   das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz vom 29. März 2023.

Bis heute gibt es seitens der Landesregierung keine Revision der unhaltbaren Studie bis auf die Einsicht, dass bei Weiterbetrieb der Wasserkraftanlagen kein Habitat für den Lachs in der oberen Agger zu erreichen sei. Es gab 2012 den vom Büro Koenzen erarbeiteten Umsetzungsfahrplan, der allerdings wegen der Haltung der Landesregierung die Art der Durchgängigkeit offenlassen musste.

Die Wirklichkeit nach 2003 sah dann so aus, dass der Aggerverband erfolgreich vorankam beim Rückbau der Querbauwerke in Sülz, Kürtener Sülz sowie im Naafbach im Aggerssystem außerhalb der Oberen Agger und der Wiehl. Aber auch in der Oberen Agger und der Wiehl wurden Querbauwerke, wie das Mühlenwehr in Wiehl oder das Dörrenberg-Wehr in Engelskirchen und bald auch das Ründerother Wehr, renaturiert, was für die Flussökologie ein Fortschritt war.
Die Empfehlung der von der Bezirksregierung Köln in Auftrag gegebenen Studie aus 2003, Fischauf- und -Fischabstiegsanlagen an den Wasserkraftanlagen  von Agger und Wiehl "voranzutreiben", blieb zum Glück nach 20 Jahren immer noch ohne Folgen.
Für den Fluss wäre es langfristig eine Katastrophe gewesen, wenn durch die millionenschweren Investitionen die Verbauung der Oberen Agger zementiert worden wäre.

Neben der Aussage zur ökologischen Wertigkeit der beiden untersuchten Varianten ist auch deren Kostenabschätzung falsch.

Nimmt man die zwischenzeitliche Kostenerfahrung für eine moderne Fischwanderhilfe,  z. B. Unkelmühle an der Sieg, die über 4 Millionen Euro gekostet hat und setzt diese Summe ins Verhältnis zu den 6,9 Mio. Euro der empfohlenen zweiten Variante, die sowohl die Fischauf- und Fischabstiegsanlagen an Agger und Wiehl mit entsprechenden Fischschutzanlagen als auch noch den u.a. die Kosten für den Rückbau von 37 Querbauwerken, den Bau von 9  rauen Rampen/Gleiten und 5 Umgehungsbächen beinhalten, so fällt direkt die unrealistische Kostenabschätzung auf. Die Kosten beinhalten übrigens keine Baunebenkosten, Planungskosten und Grunderwerb.

Die Bundesregierung fordert die Durchgängigkeit für Organismen und Sedimente

Was die Variante 2 auch nicht beinhaltet, was aber für die Flussökologie von enormer Wichtigkeit ist, ist die Durchgängigkeit von Sedimenten. Dazu die Nationale Wasserstrategie:

"Querbauwerke können, je nach Gestaltung, auch erhebliche Sedimentmengen zurückhalten. In Kombination mit Begradigungen und Längsverbau besteht zudem vielfach ein Defizit an Auendynamik und Umlagerungsmöglichkeiten im Gewässer und daraus resultiert ein Mangel an Sedimenten, insbesondere Kies. Dies wirkt sich auf die Menge und Zusammensetzung der weitergegebenen Sedimente in nachfolgenden Gewässerstrecken aus, indem insbesondere grobe Sedimente fehlen. Dies kann zur Sohlenerosion führen." (Seite 34)

Konsequenterweise heißt es in dem Aktionsprogramm Wasser der Nationalen Wasserstrategie (Aktion 46 Seite 99):

"Gemeinsam mit den Ländern werden mögliche Maßnahmen im Bereich Wasserkraft geprüft, die zur Verbesserung der gewässerökologischen Situation in Fließgewässern in Deutschland insbesondere im Hinblick auf die Erreichung der Ziele der Wasserrahmenrichtlinie beitragen. Besonderes Augenmerk gilt dabei der ökologischen Durchgängigkeit für Organismen und Sedimente, einschließlich des Fischschutzes. Dazu gehören u.a. Schritte zur konsequenten Durchsetzung der gesetzlichen Anforderungen (§§ 33ff WHG) - und insbesondere bei vorhandenen Wasserkraftnutzungen - im Vollzug sowie zum Rückbau von Anlagen. Einen Anreiz zur Umsetzung von Maßnahmen könnten Landesfördermittel für die ökologische Sanierung und den Rückbau von Wasserkraftanlagen haben, die auch an Private vergeben werden können." (Hervorhebungen durch die Verfasser)

Die Frage der Sedimente wurde in der Studie der Bezirksregierung Köln vor allem im Zusammenhang mit deren Belastung, die in der Tat ein Problem darstellt, behandelt. Man veranschlagte dafür Sanierungskosten 18 - 30 Millionen Euro. Das bestimmte daraufhin die Diskussion. "Bloß nicht anrühren" war die Devise. Die zwischenzeitlich gemachten Erfahrungen mit den Niederlegungen der Stauanlagen im Zusammenhang der Sicherheitsüberprüfungen der Wehranlagen und vor allem der Mobilisierung der Sedimente im  Zuge des Hochwassers 2021 im niedergelassenen Stau Ohl-Grünscheid machen weitere Untersuchungen für die Sanierung notwendig. In Ohl-Grünscheid wurden große Mengen der wertvollen groben Sedimente und Kies im Zuge des Hochwasser 21 aus der Anlage gespült. Sie wurden von den Aggerkraftwerken ohne Erlaubnis aus der Agger gebaggert und zum Wegebau genutzt. Der Skandal beschäftigt nach wie vor die Staatsanwaltschaft.

Was die von der Bundesregierung geforderte Durchgängigkeit von Sedimenten bei einer weiteren Nutzung der Wasserkraft kostenmäßig bedeuten würde, hat nach unserer Kenntnis noch niemand berechnet. Ob sie an der oberen Agger überhaupt machbar wäre, erscheint höchst unwahrscheinlich.

Moratorium für die Wasserkraftanlagen

Für uns ist nach der vorangegangenen Analyse klar, dass der einzige Weg für einen guten Zustand der Oberen Agger im Abschied von der Wasserkraftnutzung an den Stauanlagen, dem Rückbau der Querbauwerke und in der Renaturierung der niedergelegten Stauanlagen besteht. Diese Auffassung wird auf der politischen Ebene im Bergischen noch nicht ebenso vehement vertreten, wie wir das tun. Vielmehr wartet man bei der Landesregierung noch ab, welche Erkenntnisse das für nächstes Jahr avisierte Niederschlags-Abfluss-Modell für die Sicherheit der Stauanlagen bei Pegelverhältnissen wie an der Ahr im Sommer 2021 bringt. Ist die Sicherheit nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Kosten herzustellen, die weder die Öffentlichkeit noch der Betreiber bereit wäre zutragen, dann zöge das den Rückbau der Anlagen nach sich.  

Hätte das N-A-M das Ergebnis, dass die Stauanlagen aus sicherheitstechnischen Aspekten weiterhin vertretbar wären, dann müsste die Landesregierung spätestens dann eine Entscheidung treffen, welchen Weg sie gehen will ob sie die Staurechte ablösen bzw. mit dem Betreiber eine Einigung herbeiführen will. Dies heißt dann aber für heute, dass bis zu dieser Entscheidung keine Investitionen in die Durchgängigkeit von Wasserkraftanlagen und die Veränderung der jetzigen Zustände an den Stauanlagen erfolgen.

Konkret fordern wir ein Moratorium für die Wasserkraftanlagen in Engelskirchen:

1.  Für die Fisch Auf- und Abstiegsanlage am Stau Osberghausen, die nach Maßgabe der Erlaubnis von 2016 schon im Jahr 2018 fertiggestellt sein sollte und bei der der Aggerverband sich in einer jahrelangen Auseinandersetzung mit der Bezirksregierung Köln und dem Betreiber befindet, sollte ein Planungs- und Baustopp erfolgen.                                      2.   Der Stau Ohl-Grünscheid sollte vorerst nicht wieder aufgestaut werden um die hier seit 2019 gebildete wertvolle Aggeraue zu schützen.

3.  Die fehlende und schon in dem Gutachten von 2003 monierte Festlegung der Mindestwassermenge für das alte Aggerbett bei dem Wehr Ehrehoven I sollte von dem Moratorium ausgenommen werden. Es braucht hier nur ein zusätzliches Rohr um die gesetzlich vorgeschriebene Mindestwassermenge zu gewährleisten und das alte Aggerbett wieder für Lachse zugänglich zu machen, wie es das Zielartenkonzept der Landesrgierung festgelegt hat. Außerdem entfiele bei einer gesetzlichen Festlegung der Mindestwassermenge durch die Bezirksregierung Köln sofort die Verpflichtung der Mitglieder des Aggerverbandes dem Betreiber Jahr für Jahr etwa 50000 Euro zu zahlen, weil der Aggerverband Wasser von ihm kaufen muss um die alte Agger als Vorfluter für die Kläranlage Engelskirchen nutzen zu dürfen.

Das Moratorium kann natürlich erst nach Abstimmung mit der Bezirksregierung Köln und den Aggerkraftwerken GmbH & CO.KG in die Sechsjahresübersicht 2023 - 2028 und den Wirtschaftsplan 2024 einfließen.

Unterstützung für den Aggerverband

Zusätzlichen Natürlichen Klimaschutz, eine vom Aggerverband als strategisches Ziel benannte lebendige Flusslandschaft, die einen guten Zustand erreicht, wird es ohne den Rückbau der Wehre an den Wasserkraftanlagen nicht geben.
Nach der ungeeigneten alten Studie treten wir dafür ein, dass ähnlich wie an der Lippe der Lippeverband, der Aggerverband vom Ministerium für Umwelt und Verkehr Mittel für eine Studie auf der Höhe der Zeit und vor allem die notwendigen personellen Ressourcen für die Transmission an der oberen Agger bekommt.

In diesem Sinne wünschen wir dem Aggerverband alles Gute für die nächsten einhundert Jahre. 

Paul Kröfges, Friedrich Meyer, Claus Wittke

Der Brief als PDF

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