Regionalgruppe Köln

Harte Zeiten für Flussbefreier

31. Dezember 2021 | Agger, Energiewende, Flüsse & Gewässer, Kreisgruppe Oberberg, Lebensräume, Nachhaltigkeit, Naturschutz

"Flussbefreier" - diesen Titel, verliehen von der Deutschen Umwelthilfe, hat uns der Verweis auf unsere Aktivitäten zum Schutz der natürlichen Agger-Flusslandschaft in Engelskirchen Ohl-Grünscheid eingebracht. Diese hatte sich bekanntermaßen nach der Niederlegung der maroden Stauanlage 2019 und dem anschließenden Hochwasser gebildet.

Paul Kröfges (li) und Friedrich Meyer (re) hoffen auf die Rettung der natürlichen Flusslandschaft in Engelskirchen Ohl-Grünscheid. Paul Kröfges (li) und Friedrich Meyer (re) hoffen auf die Rettung der natürlichen Flusslandschaft in Engelskirchen Ohl-Grünscheid.  (Dennis Börsch)

Mit Bezug auf die EU-Biodiversitätsstrategie für 2030 der EU-Kommission "Mehr Raum für die Natur in unserem Leben", in der es auch um die "Wiederherstellung von Süßwasserökosystemen" geht, begab sich Ende 2020 die Deutsche Umwelthilfe auf die Suche nach kleineren Gewässern und ihren "Befreier*innen", die erfolgreich redynamisiert wurden. Zu den fünf auserkorenen Projekten in Deutschland gehörte auch die Agger. Ohl-Grünscheid dient seitdem als Referenzprojekt für eine eigendynamische Renaturierung. Es besteht jedoch ein Staurecht, von dem allerdings erst wieder Gebrauch gemacht werden kann, wenn die Bezirksregierung Köln die Anlage als sicher eingestuft hat. Eine Landesregierung, die sich dem Schutz und der Entwicklung der Biodiversität der Agger und ihrer Auen verpflichtet fühlt, hätte die Staurechte abgelöst um den gegenwärtigen Zustand zu erhalten.

Als "Flussbefreier" ausgezeichnet zu werden schafft schon ein gutes Gefühl. Dieses steht aber im krassen Gegensatz zur Lage an der Agger.  Eine Verbesserung des verbauten Gewässers, in dem Sinne, dass es wieder, wie es im Wasserhaushaltsgesetz heißt, in einen naturnahen Zustand zurückgeführt wird, wenn Gründe des Wohls der Allgemeinheit dem nicht entgegenstehen, ist in letzter Zeit nicht einfacher geworden. Die Europäische Wasserrahmenrichtlinie, auf die sich die Europäischen Staaten Anfang des Jahrtausends geeinigt hatten um bis spätestens 2027 einen guten Zustand in den europäischen Gewässern zu erreichen, ist durch die konsequente Missachtung des Wasserhaushaltsgesetzes durch die Landesregierungen in NRW zur Makulatur verkommen. Das wird so bleiben, solange die Europäische Kommission kein Vertragsverletzungsverfahren durchsetzt, das spürbare Strafzahlungen nach sich zieht. Dass durch das jahrelange Nichtstun der Wasserbehörden die Vorgabe 2027 gerissen würde, war zu befürchten.

Dass aber die Festlegung der für das Alte Aggerbett wichtigen und einfach herzustellenden Mindestwasserführung (siehe Meldung 13.12.2021) im neuen Bewirtschaftungsplan von 2018 auf 2033 verschoben wurde, hat Aggerfreund*innen schon geschockt. Dass die Herstellung der Durchgängigkeit von 2024 im gültigen Bewirtschaftungsplan, der 2021 ausläuft, auf 2039 verschoben wurde, ebenso.

Hintergrund dieser Entwicklung ist die einseitige Interpretation des Wohls der Allgemeinheit. Es gilt zwei Katastrophen abzuwenden: die Klimakatastrophe und die katastrophale Entwicklung der Arten. Richtig ist, dass der Ausbau der regenerativen Energien ein Beitrag zum Artenschutz ist. Auf welche Weise der Ausbau erfolgt, mit tauglichen oder untauglichen Mitteln, ist allerdings für den Artenschutz von erheblichen Belang. Hier ist der Koalitionsvertrag der Ampel zu kritisieren, der zwar Artenschutzprobleme beim Ausbau der Erneuerbaren Energien sieht und mit einem Programm gegensteuern will, aber diesbezüglich zwischen den Erneuerbaren nicht differenziert. So wird in dem Koalitionsvertrag die Wasserkraft im Gegensatz zur Windenergie und Photovoltaik nicht explizit erwähnt. Dass insbesondere die Kleine Wasserkraft aber in diesem Zusammenhang mehr schadet als nutzt, haben im November die 165 Fachwissenschaftler in ihrem Memorandum klargestellt (siehe Meldung vom 6.11.2021). Ohne eine solche Wertung, insbesondere der Kleinen Wasserkraft, steht zu befürchten, dass die Betreiber der Kleinen Wasserkraft unter den Mantel der positiv bewerteten Erneuerbaren Energien schlüpfen. Bislang ist es ihnen, aber auch Mitgliedern der Grünen (siehe Meldung 31.8.2021) hervorragend gelungen, die Kleine Wasserkraft als generell im Wohl der Allgemeinheit darzustellen.
Zur Wasserkraft an der Agger wird auf unseren Artikel aus dem Januar 2021 verwiesen.

Die neue Regierung hat im Koalitionsvertrag ein nationales Artenhilfsprogramm angekündigt, "das insbesondere den Schutz derjenigen Arten verbessert, bei denen es Konflikte beim Ausbau der Erneuerbaren Energien gibt, um die Energiewende naturverträglich zu gestalten und die Finanzierung mit Beteiligung der Betreiber sicherstellen". An der Agger geht es nicht um einen weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien. Die Wasserkraftanlagen hier haben teils seit den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts bereits den Lebensraum für aquatische Lebewesen verschlechtert. Teilweise erreichen sie die Obere Agger gar nicht mehr, wie Aal, Lachs und Meerforelle. Auch hat nicht geholfen, z.B. für die Äsche eine Äschenschutzkulisse per Erlass festzulegen. Ein Artenhilfsprogramm an der Agger müsste ein Rückbauprogramm der Stauanlagen sein. Die nach Maßgabe von gesetzlich vorgegebenen Durchgängigkeitsbauwerken und Mindestabflüssen unwirtschaftlichen Wasserkraftanlagen verlangen nach solch einem solchen Artenhilfs- / Rückbauprogrammerfolgen.

Die Energiewende muss und kann ohne die Kleine Wasserkraft erfolgreich sein.

Allen Aggerfreund*innen ein gesundes neues Jahr und der Agger Fortschritte bei ihrer Befreiung!

Paul Kröfges & Friedrich Meyer

Zur Übersicht