Regionalgruppe Köln

Information, Kritik und Fragen zu den Wasserrechtsanträgen der Fa. Currenta*

27. April 2022 | Chemie, Flüsse & Gewässer, Lebensräume, Naturschutz

Handout des BUND zu den Wasserrechtsanträgen der Currenta (Werksbereich, Hitdorf, Dormagen).

Rheinverschmutzung durch Currenta wurde verschleiert – Aufklärung und Konsequenzen gefordert! Rheinverschmutzung durch Currenta wurde verschleiert – Aufklärung und Konsequenzen gefordert!  (Paul Kröfges)

Der Rhein ist die wichtigste ökologische Lebensgrundlage und Lebensader unserer Region und weit darüber hinaus. Auf sein direktes und indirektes Wasserdargebot sind Mensch und Natur, aber auch alle menschlichen Aktivitäten (Industrie und Gewerbe) unbedingt angewiesen. Insofern müssen die vorliegenden, weitgehenden Wasserrechtsanträge der Fa. Currenta für Leverkusen-Werksbereich, Hitdorf und Dormagen in ihren Auswirkungen intensiv und gemeinsam betrachtet werden. Sie sollten darüber hinaus auch für die Genehmigungsbehörde Anlass für eine übergreifende Gesamtbetrachtung der Wasseransprüche in der Rheinregion sein. Dies gilt auch und erst recht für eine übergeordnete Sichtweise auf Landesebene unter den Aspekten der europäischen Wasserrahmenrichtline (WRRL) und unter Einbeziehung benachbarter Behörden am Rhein und in Verbindung mit zahlreichen weiteren Wasserrechtsanträgen wie z.B. Currenta - Krefeld-Uerdingen.

Vorhergehende Einblicke in die behördlichen Wasserbücher (Bezirksregierung Köln und Düsseldorf) zeigten einerseits einen erheblichen Umfang genehmigter Entnahmen aus dem Fluss sowie dem rheinnahen und landseitigen Grundwasser auf, andererseits waren für uns deutliche Lücken und mangelnde Aktualisierung erkennbar.

Hier besteht unbedingter Optimierungsbedarf und die Forderung nach mehr Transparenz, Aktualisierung/Auswertung und Darstellung der Auswirkungen.

Mit dem Klimawandel, verbunden mit der Zunahme von Hitze- und extremen Dürrephasen steigen die Ansprüche an den Fluss. Einerseits ist die öffentliche Wasserversorgung, insbesondere in den Niederlanden, auf den Rhein angewiesen, zudem erfolgen erhebliche Wasserentnahmen durch die Industrie, zahlreiche Wasserrechtsanträge stehen zur Erneuerung an und zur Braunkohletagebauflutung werden künftig erhebliche Wassermengen dem Rhein abgezweigt, andererseits erfolgen enorme Einleitungen von mehr oder weniger gereinigtem Abwasser inkl. erwärmtem Kühlwasser, dass insbesondere bei Hitze und Niedrigwasserphasen erheblichen Ökostress im und am Rhein verursacht.

Der Chempark-Betreiber Currenta ist einer der größten Wassernutzer und Einleiter am Rhein in NRW, daher ist eine genaue Analyse der vorgelegten „Wasserrechtlichen Bewilligungsanträge“ und deren Auswirkungen erforderlich.

Hier stellen wir wesentliche Aspekte im Sinne eines Thesenpapieres vor, verweisen aber auf die detaillierte Stellungnahme des BUND NRW e.V., die Anfang Mai 2022 auf www.bund-rg-koeln.de veröffentlich wird.

Alle aktuell von Currenta beantragten Wasserrechte bedingen Entnahmen aus dem Flussgebiet Rheingraben Nord. Daher muss im Sinne der Wasserrahmenrichtlinie die Gesamtförder- und Genehmigungssituation der Currenta, basierend auf den vorliegenden Anträgen unter Einbezug der bereits bewilligten Wasserrechte für die Standorte Dormagen und Leverkusen betrachtet werden.

  • Die insgesamt beantragten und genehmigten Wasserrechte an den Standorten Dormagen und Leverkusen der Currenta belaufen sich nach unserer Kenntnis auf mehr als 350 Mio. m³/a. Demgegenüber steht ein Wasserbedarf der Standorte, der im Mittel 2009-2018 viel geringer ausfiel und auch mit den werkseigenen Prognosen unter der beantragten Menge liegen wird. Die jeweils zu beantragende Wassermenge ist am tatsächlichen Wasserbedarf auszurichten, da eine Bevorratung bzgl. Wasserrechtsvolumina grundsätzlich unzulässig ist. Somit ist die Wasserrechtssituation an den beiden Standorten nicht nachhaltig, zu hoch und daher war und ist es in diesem Umfang nicht genehmigungsfähig. Eine Reduzierung der Wasserentnahmemengen ist erforderlich.
  • Die nachgewiesenen jahrelangen hohen Differenzen des realen Wasserbedarfes zu der wasserrechtlich genehmigten Menge belegen üppige Genehmigungen auf „Vorrat“. Hierdurch bestand und besteht u.a. die Möglichkeit, das ggf. ausreichend „Verdünnungswasser“ zur Verfügung steht, mit dem z.B. problematische Abwasserzulaufwerte aus dem Chempark zur Kläranlage Bürrig auf bisher zulässige Konzentrationen gebracht werden können. Hierauf weist das System der vorgeschalteten Stapeltanks hin, die laut Aussage von Currenta zur „Vergleichmäßigung und Mengenanpassung“ des Chempark Abwassers benötigt würden.
  • Auf Grund der (noch) nicht absehbaren klimatischen Auswirkungen ist eine wasserrechtliche Bewilligung mit 30 Jahren Laufzeit (Antrag) unserer Ansicht nach unverantwortlich. Ein Widerruf bzw. eine Änderung der Entnahmemengen muss jederzeit bei auftretenden Wasserstress-Situationen möglich sein, von daher ist auch ein Zeitraum von 20 Jahren nicht akzeptabel. Wir plädieren für eine wasserrechtliche Erlaubnis mit entsprechenden Auflagen.

Eher müsste die Produktion runtergefahren werden als einen ökologischen Kollaps und/oder Trinkwassermangel in Kauf zu nehmen!

  • Das von der Antragstellerin behauptete „öffentliche Interesse“ an ihrem Wasserrecht kann nur für die öffentliche Trinkwasserversorgung geltend gemacht werden. Selbst diese hätte entsprechend Artikel 20 a GG den (höherrangigen) Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, den Tierschutz sowie das Klima zu berücksichtigen.
  • Akzeptiert wird ein Anspruch auf eine angemessene Bereitstellung der Ressource Wasser für eine industrielle Produktion, die aber nachgewiesene Anstrengungen zur Wassereinsparung und Schadstoffvermeidung, entsprechend gestaltete, energiearme Produktionsprozesse (BVT), ressourcenschonender Kreislaufführung, Abwasservermeidung sowie modernste Abwasserreinigung für das Rest-Abwasser und Rückhaltung anthropogener Stoffe voraussetzt.

Grundlage hierfür können neben den bereits vorhandenen Rechtsvorgaben die beschlossenen Strategien Europäischer Green Deal und der Null-Schadstoff-Aktionsplan der Europäischen Kommission sein.

  • In den umfangreichen Unterlagen findet sich kein Beleg für ein nachhaltiges Wassermanagement. Es gibt lediglich eine Unternehmenserklärung von 2021 hierzu, ansonsten wird auf Produktionsgenehmigungen verwiesen (halbe Seite Anhang 3). Sämtliche Bedarfsprognosen der Chempark-Firmen für höheren Wasserbedarf fallen unter „Datenschutz“ und sind uns nicht zugänglich.
  • Im Gesamtwasserbedarf fallen die hohen direkten Flusswasserentnahmemengen auf, die unbedingt überprüft werden sollten. Welche Minderungen sind möglich, welcher Rechtsstatus besteht, wann laufen die Rechte ab? Es sollten auch hier jetzt schon Effizienzmaßnahmen zur Verbrauchsminderung umgesetzt werden. Künftige Genehmigungen/Wasserrechte sollten auf nachgewiesenen Bemühungen zur Ressourceneffizienz (hier v.a. Wasser-Sparmaßnahmen) aufbauen. Der BUND wird sich auf Landesebene insbesondere für eine Verschärfung und progressive Anpassung des WASEG einsetzen.

Wir fragen weiter an, ob das betreffende Entnahmebauwerk den Fischschutz nach bestverfügbarer Technik gewährleistet und ob dies nachgewiesen/überprüft wurde?  

  • In der Flittarder Aue werden die Auswirkungen jahrzehntelanger Übernutzung durch die hohe Uferfiltratförderung sichtbar. Es treten zusätzliche Absenkungsbeträge infolge der Fördermengensteigerung bei Niedrigwasserbedingungen mit Werten bis max. 0,9 m in Brunnennähe auf. Dies ist eine zusätzliche Absenkung gegenüber dem schlechten Ist-Zustand. Durch die dauerhafte Absenkung der ursprünglich hohen Grundwasserstände wurde der natürliche Auenlebensraum weiträumig degradiert, ehemals feuchte Flächen weisen jetzt Trockenwiesencharakter auf oder werden landwirtschaftlich intensiv genutzt. Tümpel, Blänken, Teiche kommen nicht (mehr) vor, das vorhandene Altwasser hat den Kontakt zum Grundwasser verloren und muss künstlich bewässert werden. Dieser negative Zustand, der sich auch auf angrenzende FFH Gebiete im Fluss (Fischschutzzonen) auswirkt, muss auch auf Grund von FFH Vorgaben (Prüfpflicht und Entwicklungsgebot, Anwendung der Eingriffsregelung) umgekehrt, mindestens gemildert werden. Die Überlagerung durch schwankende Rheinwasserstände spielt keine Rolle, da es sich um dauerhafte Grundwasserspiegel-Absenkungen gegenüber dem natürlichen Zustand handelt.
  • Die Fördermengen im Werksbereich von ~75 Mio. m³/a können nach den Antragsunterlagen nur durch den hohen Anteil Uferfiltrat gewährleistet werden, der demnach bei ca. 83% (~62 Mio. m³/a) liegt. Durch die hohe Uferfiltratförderung besteht die Gefahr der Kolmatierung (Durchlässigkeitsverringerung, Verbackung) des ufernahen Interstitials/Bodens mit erheblichen Auswirkungen auf die Biozönose der dortigen Fischschutzzonen. Dies ist nicht untersucht worden. Da die Infiltration bei Förderung insbesondere auch durch die Strommitte erfolgt, sind gleichbleibende mittlere Grundwasserspiegel kein Beleg für ausbleibende Kolmatierung. Der herangezogene Verträglichkeitswert (250 L/s*km) ist eine rein theoretische Größe, mit Blick auf die betroffenen (FFH-) Fischschutzzonen ist zu überprüfen, inwieweit eine solche Kolmatierung stattgefunden hat, welche Beeinträchtigungen hierdurch gegeben sind und wie diesen entgegengewirkt werden kann.
  • Vor dem Hintergrund zunehmender Nutzungskonkurrenzen beim Wasser gilt der Vorrang der Sicherung der öffentlichen Trinkwasserversorgung.

Daher wird angeregt und gefordert, dass das Wasserrecht für den abgegrenzten Einzugsbereich des WW Hitdorf, wo 2 von 3 Brunnen ausschließlich der Trinkwasserversorgung u.a. der Stadt Leverkusen dienen, auch von der Stadt Leverkusen beantragt und bewirtschaftet wird.

Ergänzung:

Rheinbelastung durch die Kläranlage Leverkusen Bürrig:

  • Nicht nachhaltig sind auch die Belastungen des Abwasserstromes von über 50 Mio. m³/a der Kläranlage. Neben AOX Frachten von über 20 Tonnen im Jahr werden täglich PFAS-Frachten im Schnitt von 700 g/d (2022) mit dem Abwasser abgegeben, obwohl seit 2006 in NRW Orientierungswerte existieren, die Maßnahmen erfordern, wenn 35 g/d überschritten werden. Die obenstehende Grafik zeigt die ständige Belastung des Abwassers mit PFAS (perfluorierte Alkylverbindungen) in den letzten 3 Jahren. Der Orientierungswert (rote Linie) wird ständig erheblich überschritten.
  • Pro Tag werden auch über 700 t Kochsalz (NaCl) in den Rhein eingeleitet, im Jahr sind dies mind. 255.000 Tonnen! Trotz der Verdünnung durch den Rhein ist dies eine zusätzliche Belastung für die Wasserversorgung aus dem Rhein, v.a. in den Niederlanden.
  • Im Zusammenhang mit der schweren Explosion (Störfall) der Currenta Sondermüllverbrennungsanlage in 2021 kam heraus, dass auf Grund eines mangelhaften Löschwasserrückhaltekonzeptes erhebliche Belastungen des Abwassers der Kläranlage Leverkusen Bürrig verursacht (u.a. mit Clothianidin) wurden. Die Öffentlichkeit wurde trotz Anfragen hierzu nicht informiert, die Ergebnisse wurden in der Datenbank ELWAS „versteckt“.

Verantwortlich:
BUND NRW e.V. für den Landesarbeitskreis (LAK) Wasser

erarbeitet von:
Paul Kröfges, Windeck
Dr. Matthias Schmitt, Bergisch Gladbach
u.a.

* alle hier getroffenen Aussagen entsprechen ausschließlich unserer Meinung und Interpretation und wurden anhand uns zugänglicher Materialien erstellt.

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