Regionalgruppe Köln

Landesregierung muss Engelskirchener Aggeraue retten

30. August 2023 | Agger, Flüsse & Gewässer, Kreisgruppe Oberberg, Naturschutz

Umweltminister Oliver Krischer vor Entscheidung

Diese Aggeraue muss gerettet werden. Diese Aggeraue muss gerettet werden.  (F. Meyer)

Wenn die Landesregierung nicht eingreift, ist die natürliche Flusslandschaft in Engelskirchen Ohl-Grünscheid verloren. Bekanntlich hat sich dort seit 2019 im ehemaligen, wegen der Instabilität des Wehres, niedergelegten Staubereich ein frei fließender Flussabschnitt mit einer Weichholzaue entwickelt. Die Weichholzaue ist ein durch das Naturschutzgesetz geschütztes Biotop. Ebenfalls streng geschützt und auf der Vorwarnliste der Roten Liste ist die Äsche, ein Fisch aus der Lachsfamilie (Salmoniden), die das neue (alte) Habitat annahm. Sie existierte vor dem Rückstau nur noch in einem Restbestand in der Nähe des Engelskirchener Rathauses und kann nunmehr wieder in einer Flussstrecke von 8 km frei wandern.

Wie es in Ohl-Grünscheid weitergeht, hängt vom rechtlichen Status der Anlage, letztlich aber von der Bereitschaft der Landesregierung ab, das Staurecht abzulösen und das Terrain zu erwerben. Die Betreiberin der Anlage, die Aggerkraftwerke GmbH & Co.KG, dürfte die Anlage wieder in Betrieb nehmen, wenn die Sicherheitsprüfung abgeschlossen ist. Sie verfügt seit dem Erwerb vor etwa 10 Jahren über das alte Wasserrecht zum Anstauen. Sie darf die neu erstellte Wehrklappe aber erst schließen, wenn durch ein Niederschlags-Abfluss-Modell, das für das gesamte Aggereinzugsgebiet errechnet wird, nachgewiesen wird, dass die Anlage Hochwasserereignisse wie an der Ahr im Sommer 2021 übersteht. Diese Berechnung, für die der Aggerverband verantwortlich ist, ist sehr aufwendig, sollte längst fertig sein, zieht sich aber auf jeden Fall bis 2024 hin.

Falls die Prüfung zum Ergebnis kommt, dass von der Anlage bei extremen Niederschlägen eine Gefahr ausgeht, stellt sich die Frage, ob eine Nachrüstung möglich ist bzw. mit welchem finanziellen Aufwand dies verbunden ist. Ob der Eigentümer sich von Millionen schweren Ausgaben abhalten lässt, ist nach den bisherigen Erfahrungen höchst fraglich. Er hat bisher schon Millionensummen in seine Anlagen in der Agger investiert, was für Außenstehende rein betriebswirtschaftlich nicht nachvollziehbar ist. Insbesondere, wenn man berücksichtigt, dass, falls er nicht seine Anlage Ohl-Grünscheid verkauft, irgendwann die Bezirksregierung Köln eine aufwendige Durchgängigkeitshilfe einfordert, was vom Wasserhaushaltsgesetz vorgegeben ist.

Das Land NRW hatte mit seinem Oberberg-Erlass von 2016 den Plan, ein Sanierungskonzept für die Agger zu erstellen, auf der Grundlage des erforderlichen Aufwandes für die Sicherheit der Anlagen und der flussökologischen Erfordernisse (Mindestwasser, Durchgängigkeit und Fischschutz) nach Maßgabe des Wasserhaushaltsgesetzes. Dieses Sanierungskonzept sollten dem Betreiber Klarheit darüber schaffen, ob sein Geschäftsmodell überhaupt tragfähig ist. Der Betreiber hat das - immer noch nicht vorliegende - Sanierungskonzept nicht abgewartet und ungeachtet dessen Millionen investiert. Für einen Kauf durch die Landesregierung ist relevant, dass die neuen Turbinen ausgebaut und verkauft werden könnten.

All diese Unwägbarkeiten und Spekulationen ändern nichts an der Tatsache, dass Umweltminister Oliver Krischer und die Landesregierung sich entscheiden müssen, ob sie das natürliche Flussbett mit den geschützten Äschen und der Weichholzaue retten wollen oder ob man die Naturzerstörung hinnimmt. Die Berufung auf das Naturschutzgesetz hat seine Grenzen. Die Kreisverwaltung des Oberbergischen mit dem Landrat Jochen Hagt und dem Dezernenten Frank Herhaus hat auf eine Anfrage der Grünen darauf hingewiesen, dass im Naturschutzgesetz (§ 4 Ziffer 5) festgelegt ist, dass auf Flächen, die ausschließlich oder überwiegend Zwecken der Versorgung (hier: Stromversorgung) dienen, eine bestimmungsgemäße Nutzung zu gewährleisten ist. Eine Strategie zur Rettung der Engelskirchener Aue, die auf einen Rechtsstreit setzt, ist also höchst fraglich. Es bedarf daher des Willens der Landesregierung, die Engelskirchener Aue zu retten. Berufen kann sich die Landesregierung sowohl auf die Nationale Wasserstrategie als auch auf das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz der Bundesregierung, das auch Fördermöglichkeiten beinhaltet. In letzterem verkündigt die Bundesregierung: "Die großen Potenziale naturnaher Fließgewässer- und Auen sollen für den natürlichen Klimaschutz, zur Klimaanpassung und zur Sicherung der biologischen Vielfalt genutzt werden. Wo immer es möglich ist, sollen naturnahe Fließgewässer und Auen bewahrt und wiederhergestellt werden. " (Seite 19)     

An der Agger ist das möglich.                          

Die Bundesregierung plant ergänzend zu den bestehenden Fördermaßnahmen an den Bundeswasserstraßen "in Abstimmung mit den Ländern eine Auenförderung für weitere Fließgewässer mit einer besonderen Bedeutung für den Biotopverbund und die Wasserwirtschaft und deren Auen (zu) schaffen." Wir erwarten ein baldmögliches Ergebnis dieser Abstimmung für die Agger. Die Zeit drängt.

Empfohlene Lektüre - Auf der Homepage des Bundesumweltministeriums kann das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz heruntergeladen werden. https://www.bmuv.de/natuerlicher-klimaschutz#c66493  Dort für die Agger wichtig Seite 15 ff "Naturnaher Wasserhaushalt mit lebendigen Flüssen, Seen und Auen".

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