MUNV antwortet auf die Forderung der Umwelt- und Fischereiverbände "Landesregierung muss Engelskirchener Aggeraue retten!"

13. Januar 2025 | Agger, Kreisgruppe Oberberg, Lebensräume, Naturschutz

Oliver Krischer sollte das Regierungsprogramm 2025 der Grünen für "frei fließende Flüsse“ unterstützen.

"Bedrohte Agger-Aue" - Diese Aktionspostkarte ist immer noch beim Aggerbrief erhältlich Diese Aktionspostkarte ist immer noch beim Aggerbrief erhältlich. Auf der Rückseite der Karte steht: Durch die Niederlegung des Agger-Staus in Engelskirchen Ohl-Grünscheid 2019 wegen der Instabilität des Wehres konnte sich die Natur frei entwickeln. Die streng geschützten Äschen sind wieder zurück. Die Weichholzaue konnte sich ausbreiten. Wenn die Hochwasser-Sicherheitsprüfung abgeschlossen ist, dürfte der Betreiber wieder anstauen. Die Landesregierung darf die Naturzerstörung nicht hinnehmen und muss das Areal und das Staurecht erwerben. Das Wehr muss offen bleiben. www.bund-rg-koeln.de/agger/  (Wassernetz NRW)

Die Antwort ist nunmehr eingetroffen. Im September 2023 hatten sich die Oberbergischen Naturschutzverbände, aber auch deren NRW-Landesverbände sowie der Engelskirchener Angelverein mit dem Fischereiverband Nordrhein-Westfalen in einem Schreiben an den Minister Oliver Krischer gewandt: "Landesregierung muss Engelskirchener Aggeraue retten".  

Der Minister antwortete nun nicht persönlich, sondern ließ den Leiter des Referats Flussgebietsmanagement und Gewässerökologie antworten, der sich wiederum an die Meinung der Spitze des Hauses halten muss.

Positiv ist dem Schreiben zu entnehmen, dass das Versprechen von Umweltministerin Heinen-Esser von 2021 gilt, dass kein Wiederanstau der renaturierten Stauanlage Ohl-Grünscheid vor dem Abschluss der vertieften Überprüfung zur Sicherheit erfolgen wird.

Die Forderung nach Rettung der Aggeraue hingegen wird mit zwei Hinweisen zurückgewiesen:

Zum einen: "Eine Stilllegung der Wasserkraftanlage kann jedenfalls aus rechtlichen Gründen nicht wie gefordert behördlich angeordnet werden." Dass so etwas möglich wäre, hatten die Unterzeichner des Schreibens auch gar nicht behauptet. Wie der Minister die Aue rettet, hat man Oliver Krischer nicht vorgeschrieben. Vom Kauf des Staurechts bis zur Anordnung, die Durchgängigkeit herzustellen, was bei Fortsetzung der Wasserkraftnutzung richtig teuer werden würde und zum Ende der Wasserkraftnutzung führen würde, ist hier vieles möglich.

Zum anderen: "Die bestehenden Nutzungs- und Staurechte stehen nach meinem Kenntnisstand nicht zum Verkauf. Der Betreiber hat zudem mit der Sanierung der Wehrklappe deutlich gemacht, dass der Betrieb der Anlage weiter fortgesetzt werden wird."  Ob der Betrieb tatsächlich fortgesetzt wird, entscheidet sich allerdings erst, wenn die Bezirksregierung Köln ihren Bescheid zur Herstellung der Durchgängigkeit und des Fischschutzes gerichtsfest durchgesetzt hat und eine Millioneninvestition ansteht und zwar dann nicht nur in Ohl-Grünscheid sondern auch in den Anlagen Ehreshoven I (zwei Querbauwerke) in Ehreshoven II, in der Anlage Haus Ley und in der Anlage Wiehlmünden.

Der Versuch der Landesregierung mittels des Oberberg - Erlasses gesetzeskonforme Zustände an der Agger zu erreichen war nicht erfolgreich

Die Landesregierung hatte im November 2016 mit dem sogenannten Oberberg-Erlass den Weg vorgezeichnet. Demnach sollten sich die Betreiber im Zuge der Sicherheitsprüfung für die Engelskirchener Stauanlagen gemäß der gesetzlich vorgegebenen vertieften Überprüfung nach DIN 19700, deren Abschluss die Aufforderung zur Umsetzung der fischökologischen Anforderungen des Wasserhaushaltsgesetzes (Mindestwasserführung, Durchgängigkeit und Fischschutz) nach sich ziehen würden, entscheiden, ob die Fortführung der Wasserkraftnutzung an der Agger für sie noch Sinn machen würde. Der Abteilungsleiter im Umweltministerium ging davon aus, dass entsprechend der gewählten Fristsetzung durch die Bezirksregierung Köln (2016) eine zeitnahe Bearbeitung dieser Fragen durch die Betreiber erfolgen wird.

Die zeitnahe Bearbeitung läuft jetzt schon im neunten Jahr, ohne dass die Bemessungswassermengen für Hochwässer wie an Erft und Ahr ermittelt worden sind. Ein Ende der vertieften Überprüfung ist nicht abzusehen.

Herr Auer,  Betreiber nunmehr aller Wasserkraftanlagen in Engelskirchen, den Aggerkraftwerken, war von dem behördeninternen Oberberg-Erlass auch nicht sonderlich beeindruckt. Er investierte in die Wasserkraftanlagen Ehreshoven I und II, Ohl- Grünscheid und Osberghausen Millionen von Euro für moderne Turbinen.  Gleichzeitig sagte sein leitender Mitarbeiter dem NRW Wassernetz bei einem Besuch an der Agger, dass sein Chef Zeit seines Lebens hier keinen Cent verdienen würde.  

Wenn man bei der zuständigen Oberen Wasserbehörde (Bezirksregierung Köln) wegen des Einbaus der teuren Turbinen nachfragte und auf den Widerspruch zum Oberberg-Erlass hinwies, lautet die lapidare Antwort, dies sei das unternehmerische Risiko des Herrn Auer. Zuletzt so geschehen im Sommer letzten Jahres als man sehen konnte, dass die Turbine der WKA Haus Ley ausgebaut wurde zum Einbau einer neuen Turbine. Dieses Unterfangen stockt zur Zeit. Der Ausbau ist zwar erfolgt, der Einbau aber nicht und permanent wird Wasser aus der Anlage gepumpt. Sind Herrn Auer Bedenken gekommen und geht er nunmehr davon aus, dass die Bezirksregierung Ernst macht mit der Durchsetzung des Wasserhaushaltsgesetzes?

Bei der Anlage Osberghausen wurden die Bestimmungen des WHG gerichtsfest durchgesetzt mit der Folge, dass ein Rückbau der Stauanlage wahrscheinlich geworden ist

Die Erfahrungen der Aggerkraftwerke mit der Anlage Osberghausen werden zur Nachdenklichkeit beigetragen haben. Hier hat die Bezirksregierung unter Beweis gestellt, dass sie das Wasserhaushaltsgesetz gerichtsfest durchsetzen kann. Bei der Stauanlage Osberghausen des Aggerverbandes wurde 2016 nach jahrelangem Stillstand unter der Auflage des Baus einer Fischaufstiegs- und Fischabstiegsanlage bis 2018 eine neue Erlaubnis zum Anstau erteilt. Nachdem das Wassernetz NRW über eine Anfrage nach dem Umweltinformationsgesetz öffentlich machte, dass mit der Erlaubnis Tierleid in Kauf genommen wurde, erweiterte die Bezirksregierung diese Erlaubnis noch durch einen Änderungsbescheid zum Fischschutz. Dagegen klagte der Aggerverband auf Betreiben des Nutzers der Wasserkraftanlage, der Aggerkraftwerke. Als klar wurde, dass der Aggerverband dadurch die Förderung für die Durchgängigkeit riskierte, zog er die Klage zurück und die erweiterte Erlaubnis wurde im Frühjahr letzten Jahres rechtskräftig. Seitdem ist Funkstille zwischen dem Aggerverband und den Aggerkraftwerken. Der Aggerverband erwartet von den Aggerkraftwerken, dass sie nach Förderung durch das Land die Restkosten von etwa 1 Millionen Euro für die Durchgängigkeitsmaßnahme bezahlen. Weiter müssen die Aggerkraftwerke als Besitzer der Wasserkraftanlage für die Fischschutzanlage an dem Turbinenkanal aufkommen. Dabei müssten sie ohne Förderung durch das Land auskommen.

Auf der Aggerverbandsversammlung im vergangenen Monat hat der Vorstand, Dr. Moshage, klargestellt, dass er die Fischaufstiegs- und Fischabstiegsanlage noch bauen könnte, vorausgesetzt die Aggerkraftwerke zahlten. Außerdem müssten sie auch die Fischschutzanlage bauen, andernfalls würde die Erlaubnis auch hinfällig. Es sieht danach aus, dass zum Ende des Jahres die Anstauerlaubnis verfällt und die Stromproduktion in Osberghausen eingestellt werden muss.

Das MUNV muss sein Scheitern eingestehen und Oliver Krischer sollte sich an das Programm seiner Partei halten

Die Aggerkraftwerke brauchen für die übrigen Anlagen, also auch für Ohl-Grünscheid, die im Gegensatz zu Osberghausen ihnen selber gehören, keine neue Erlaubnis zu beantragen, weil sie sogenannte Anlagen nach altem Recht sind. Sie müssen aber auch hier die vom Wasserhaushaltsgesetz geforderte Durchgängigkeit herstellen. Durch den Oberberg-Erlass war diese Verpflichtung lediglich aufgeschoben worden. Nach neun Jahren muss die Verpflichtung zur Umsetzung der flussökologischen Vorschriften endlich durchgesetzt werden. Ein längeres Zuwarten bis der Betreiber eine genehmigungsfähige vertiefte Überprüfung vorgelegt hat ist nicht länger hinnehmbar. Das Ansinnen des Ministeriums, dem Betreiber einen Überblick über seine zu leistenden Investitionen zu geben ist von diesem nicht angenommen worden und gescheitert.

Das MUNV muss sich ehrlich machen, seine gescheiterte Strategie eingestehen und die Erfüllung des WHG nicht mehr vom Abschluss der vertieften Überprüfung abhängig machen. Die Bescheide bedeuten, ausgehend von den Erfahrungen mit gebauten Durchgängigkeitsmaßnahmen wie etwa der Unkelmühle an der Sieg, Investitionskosten für die Durchgängigkeitsmaßnahmen und den Fischschutz von geschätzt weit über 20 Millionen Euro. Außerdem entstünden Mindereinnahmen durch die erhöhte Mindestwasserführung zum alten Aggerbett. Eine solche Klarstellung durch den Minister würde auch die Mitarbeiter der Bezirksregierung Köln stärken, denen nach Zugang der Bescheide zur Umsetzung des Wasserhaushaltsgesetzes postwendend für jede Anlage eine Klage der Aggerkraftwerke gegen die Bescheide ins Haus stehen wird. Es sei denn, Herr Auer ist einsichtig und nimmt Abstand von seinem Geschäftsmodell, was für die Agger ein Segen wäre

Es ist bedauerlich, dass die Landesregierungen seit Inkrafttreten der Europäische Wasserrahmenrichtlinie im Jahr 2000 und deren Umsetzung in nationales Recht - dem Wasserhaushaltsgesetz - es nicht geschafft haben, ein kohärentes Gesamtkonzept, wie es das Bundesverwaltungsgericht allgemein fordert, für die Obere Agger zu entwickeln. Bis heute gilt das Prinzip, solange noch jemand in die Wasserkraft an der Agger in Engelskirchen investiert, brauchen wir (Landesregierung) uns nicht darum zu kümmern, ob dies langfristig im Sinne der Allgemeinheit, dem Hochwasserschutz und dem Artenschutz ist. Hinzu kommt der unermessliche Aufwand an Personalkosten, den die Wasserbehörden, die Gerichte und damit der Steuerzahler tragen.  

Der Bundesvorstand von Bündnis 90 / DIE GRÜNEN, der Partei des Ministers Oliver Krischer, hat für die Bundestagswahl im nächsten Monat einen Entwurf für ein Regierungsprogramm 2025 vorgelegt, das noch am 26. Januar von der Bundesdelegiertenkonferenz verbschiedet werden muss. Hier heißt es, dass frei fließende Flüsse und naturnahe Bäche - wo immer möglich - erhalten bleiben oder wiederhergestellt werden. Es wird auf die Nationale Wasserstrategie der Bundesregierung hingewiesen mit der man einen Masterplan vorgelegt habe, wie man die Ziele im Gewässerbereich erreichen könne.  "Wir wollen die finanziellen und personellen Bedingungengen schaffen, damit wir sie - gemeinsam mit den Ländern, aber auch über unsere Landesgrenzen hinaus - effektiv umsetzen können."

Die Umwelt- und Fischereiverbände erwarten, dass diese Versprechen von Oliver Krischer an der Agger umgesetzt werden.

Friedrich Meyer
Wassernetz NRW Flussgebietskoordinator für die Agger

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Link zur Postkarte (und zwei weiteren)

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