Regionalgruppe Köln

NRW-Umweltministerium nimmt neuen Anlauf für die Agger

31. August 2022 | Agger, Energiewende, Flüsse & Gewässer, Kreisgruppe Oberberg, Naturschutz

Neuer Erlass soll Europäische Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) endlich umsetzen

Hinter dieser Fassade des Umweltministeriums in Düsseldorf bewegt sich etwas. Der Wassernetz NRW Flussgebietskoordinator für die Agger Friedrich Meyer, hofft, auch für die Agger. Hinter dieser Fassade des Umweltministeriums in Düsseldorf bewegt sich etwas. Der Wassernetz NRW Flussgebietskoordinator für die Agger Friedrich Meyer, hofft, auch für die Agger.  (privat)

Seit Jahren gibt es massive Kritik der Umweltverbände an der Nichtumsetzung der Bestimmungen des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) zur Erlangung guter Zustände an der Agger. Verantwortlich hierfür sind das NRW-Umweltministerium und die Bezirksregierung Köln. Jetzt gab es hierzu auf Einladung des Referatsleiters "Flussgebietsmanagement und Gewässerökologie", Herrn Dr. Schmidt-Formann, ein Gespräch im NRW Umweltministerium, an dem Paul Kröfges von der BUND Regionalgruppe Köln, sowie Friedrich Meyer und Henry Tünte vom Wassernetz NRW teilnahmen.

 Ziel der Umweltverbände ist eine frei fließende Agger mit der Wiedererlangung von Auen, vor allem auf den niedergelegten Stauanlagen.  Ihre Einschätzung: Eine Stromgewinnung an der Agger ist, außer an der Aggertalsperre, mit den notwendigen Investitionen für die Mindestwasserführung, die Durchgängigkeit und den Fischschutz wirtschaftlich nicht darstellbar. Kritisiert wurde, dass die staatlichen Institutionen den Betreiber haben "laufen" lassen und nach Aussagen eines leitenden Mitarbeiters des Betreibers, der Aggerkraftwerke GmbH & Co.KG,  es "im Ungefähren" gelassen haben, wann Mindestwasserführung und Durchgängigkeit angeordnet werden würden.  Von sich aus ist der Anlagenbetreiber nämlich nicht verpflichtet diese Anforderungen des WHG umzusetzen.

Der sogenannte "Oberberg-Erlass" des NRW-Umweltministeriums vom November 2016 sah die Erarbeitung eines tragfähigen Sanierungskonzeptes für die Agger vor. Dem Betreiber sollte nach Maßgabe der "Vertieften Überprüfungen" der Sicherheit der Stauanlagen und der zu erwartenden notwendigen Investitionen für die Gewässerökologie ein Überblick über den Gesamtinvestitionsbedarf verschafft werden, damit er eine Entscheidung treffen kann, ob er weiterhin in die Stromgewinnung investieren will oder sich aus dem Geschäft zurückzieht. Dieses Ziel hat der "Oberberg-Erlass" eindeutig verfehlt. Die Vertieften Überprüfungen, die eigentlich bis Ende 2016 vorliegen sollten, sind zwar nunmehr (2022!) bei der Bezirksregierung eingereicht worden, aber immer noch nicht gegengeprüft, bzw. man streitet sich über die Einschätzung bestimmter Sachverhalte. Außerdem muss in diese Vertieften Überprüfungen noch das sogenannte Niederschlags-Abfluss-Modell (NAM) eingearbeitet werden, das Aufschluss darüber geben soll, was an den Stauanlagen passieren wird, wenn nach großflächigen Starkregenereignissen ähnliche Wasserstände auftreten, wie an der Ahr und an der Erft vor einem Jahr. Weiter soll ein Retentionskonzept für die Agger und die Neuausweisung der Überschwemmungsgebiete hieraus abgeleitet werden.

Die Naturschützer verlangen vom Umweltministerium, dass nach dem Auslaufen des Erlasses – diese haben eine maximale Laufzeit von fünf Jahren - gegenüber der Öffentlichkeit Rechenschaft darüber abgelegt wird, welche Lehren aus dem Fehlschlag des "Oberberg-Erlasses" gezogen wurden. Eine Konsequenz muss in jedem Fall sein, dass nicht nur lediglich ein neuer behördenverbindlicher Erlass erarbeitet wird, sondern verbunden hiermit eine für den Betreiber verbindliche Anordnung der Mindestwassermenge in das alte Aggerbett aus dem Stau Ehreshoven I, erfolgt. Dies kann in Jahresfrist geschehen, weil einfach nur mehr Wasser abgeleitet werden muss, was nur einen geringen Investitionsaufwand bedeuten würde. Eine längere Frist kann dem Betreiber für die Durchgängigkeitsanordnung gewährt werden. Dann kann der Betreiber ernsthaft eine Entscheidung treffen, ob er die Durchgängigkeitsinvestitionen auf sich nimmt. Ansonsten wäre der Rückbau der Anlagen die Konsequenz, für die Agger die weit bessere Lösung.

Aus Sicht der Naturschützer muss ein neuer Erlass, an dem das Ministerium arbeitet, unter anderem folgende Aspekte beinhalten:

1. Bei der Erzeugung dringend notwendigen Stroms aus erneuerbaren Energien ist zu berücksichtigen, dass sich seit 2016 die technische Entwicklung der Wind- und Solarenergie rasant entwickelt hat und gegenüber der Wasserkraft an der Agger mit den notwendigen Investitionen deutliche Kostenvorteile aufweisen. Mit dem Erneuerbaren Energien Gesetz 2023 steht für die Beschleunigung der des Ausbaus von Wind- und Solaranlagen ein besseres Instrumentarium als noch 2016 zur Verfügung.

2. Die Landesregierung darf die Zukunft der Agger nicht der Entscheidung eines Investors überlassen, dessen Erfolg seiner Holding nicht von der Stromerzeugung an der Agger abhängt, sondern vor allem vom Spirituosen-Vertrieb und seinen Immobiliengeschäften. An der Agger - so ein leitender Angestellter der Aggerkraftwerke - würde der Besitzer Christian Auer Zeit seines Lebens keinen Cent verdienen. Wenn das so ist, führt er den Betrieb nur weiter, weil er meint, etwas Gutes zu tun. Maßgebend für die Zukunft der Agger sollte aber nicht die Gewerbefreiheit und die individuelle   Bestätigung eines Einzelnen sein, sondern die demokratisch legitimierte ganzheitliche Politik für die Gesellschaft angesichts der Klima- und Biodiversitätskrise.

3. Die Klimakrise und die Biodiversitätskrise haben zwischenzeitlich einen anderen Blick auf die Ressource Wasser und die Fließgewässer in der Gesellschaft erzeugt. Die Probleme der Trockenheit und Überschwemmungen, der zunehmende Druck auf die Arten, haben die Bundesregierung zu einem 4 Mrd. schweren Aktionsprogramm natürlicher Klimaschutzschutz (ANK) bewegt. (Siehe in der Anlage den Entwurf für den Bereich "Naturnaher Wasserhaushalt mit lebendigen Flüssen, Seen und Auen". Gefordert wird hier eine Neuausrichtung der Ziele für den Wasserhaushaltes. "Zum Erhalt oder zur Wiederherstellung eines naturnahen Landschaftswasserhaushalts ist das Wassermanagement des gesamten Einzugsgebietes zu betrachten und so anzupassen, dass Treibhausgasemissionen dabei vermieden werden." Dies richtet sich unter anderem gegen die schädliche Methangasproduktion in den Engelskirchener Stauanlagen.

In dem Entwurf für das ANK heißt es zum

"Bundesprogramm klimabezogene Maßnahmen in der Wasserwirtschaft und Gewässerentwicklung“

Eine naturnahe Gewässerentwicklung und ein naturnaher Wasserhaushalt sind wesentliche Voraussetzung für vielfältige Maßnahmen des Natürlichen Klimaschutzes, z. B. für die Wiedervernässung von Mooren oder die Mehrung der Waldflächen. Notwendig ist daher ein verbesserter Wasserrückhalt in der Fläche, die deutliche Verringerung der Flächenversiegelung, Maßnahmen zur Entsiegelung und zur Verbesserung von Versickerungsmöglichkeiten, eine dezentrale Regenwasserbewirtschaftung gerade in urbanen Räumen, eine Verminderung von Oberflächenabfluss sowie die städtebauliche Integration wasserwirtschaftlicher Maßnahmen. Solche Maßnahmen tragen auch dazu bei, die Folgen der Klimakrise und insbesondere die schädlichen Auswirkungen von Extremwetterereignissen zu mindern. Diese Maßnahmen weisen zudem vielfach Synergiepotenziale zur Umsetzung der Ziele der EU-Wasserrahmenrichtlinie und zum Biodiversitätsschutz auf.

Gefördert werden sollen insbesondere Maßnahmen in den Ländern und Kommunen zur Wiederherstellung, Renaturierung und nachhaltigen Entwicklung von Gewässern sowie zur Gewährleistung eines naturnahen Wasserhaushalts durch Verbesserung des Wasserrückhaltes in der Fläche, der Versickerung und Grundwasseranreicherung. Positive Effekte für die Umsetzung des Ziels eines guten Zustands von Gewässern im Sinne der Wasserrahmenrichtlinie sowie zur Verbesserung der Biodiversität (z.B. Maßnahmen zur Verbesserung der Durchgängigkeit von Fließgewässern) und für die Schaffung eines attraktiven Lebensumfelds an den Gewässern für die Bevölkerung sind erwünscht.

4. Der neue "Oberberg-Erlass" muss der Tatsache Rechnung tragen, dass das Landesumweltministerium und die Bezirksregierung Köln, wenn man der Aussage seitens der Aggerkraftwerke Glauben schenken kann, nicht klar kommuniziert haben, dass in absehbarer Zeit Anordnungen zur Mindestwasserführung und Durchgängigkeit zu erwarten sind. Dies hat den Betreiber bewogen, Investitionen zu tätigen, ohne den weiteren Verlauf gemäß der "Fahrplan" des Oberberg-Erlasses von 2016 abzuwarten.
Insofern liegt eine "Mitschuld" der Behörden an der jetzigen Situation vor. Es wurden bedeutende Investitionen getätigt, die alle konträr zu den Zielen im ANK liegen. Es wäre unfair dem Betreiber nunmehr lediglich zu sagen, dass diese Investitionen sein unternehmerisches Risiko seien. Vielmehr müssen jetzt Verhandlungen zwischen Betreiber und Bezirksregierung Köln mit dem Ziel der Ablöse der Wasserrechte des Betreibers zur Wiederherstellung einer frei fließenden Agger mit Auen auf den niederzulegenden Stauanlagen erfolgen.

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