Regionalgruppe Köln

Rodungen und Fällungen im Hambacher Wald

25. April 2019 | Klimawandel, Kohle, Lebensräume, Nachhaltigkeit, Naturschutz, Wälder

Ein Versuch einer Bewertung der aktuellen Sitution und der Ursachen für das Baumsterben.

RWE-Bagger aus sicht des Hambacher Waldes. RWE-Bagger aus sicht des Hambacher Waldes.  (Adalberg Niemeyer-Lüllwitz)

Vorrückende Bagger und am Boden liegende alte Bäume im Hambacher Wald beunruhigen aktuell viele Menschen, die für den Erhalt des Waldes kämpfen. Besonders am exponierten Waldrand zum Braunkohleloch werden immer wieder große Buchen und Eichen mit Wurzelteller umgeworfen. Dass der Braunkohletagebau dafür verantwortlich ist, daran ist nicht zu zweifeln. Wenn man sich näher mit den Ursachen beschäftigt, wird das klar. Und es stellt sich auch die Frage: Gibt es so nahe am Braunkohleloch überhaupt eine Zukunft für den Wald? Hier der Versuch einer Bewertung der aktuellen Sitution und der Ursachen für das Baumsterben.

1. Alle mit dem Fortschreiten der Rodungen am Waldrand schon 2017 freigestellten Bäume sind besonderem Stress ausgesetzt. Seitdem werden hier immer wieder Bäume zu Boden geworfen, auch schon in der Zeit, als das Vorfeld noch über 500 m breit war. Die Bäume standen früher im dichten Bestand, geschützt durch andere Bäume. Nach Rodung bis hier hin stehen sie jetzt frei an einem neuen Waldrand. Besonders Buchen, aber auch alte Eichen reagieren darauf empfindlich, sie werden geschwächt und leichter von Stürmen umgeworfen. Das kann man übrigens auch bei Wäldern an neuen Autobahnen sehen, dass dann am Rand Bäume leiden und absterben.

2. Alle Bäume im Wald stehen aufgrund der massiven Eingriffe in den Wasserhaushalt unter Stress. Hier wird schon seit Jahren das Grundwasser weiträumig durch Sümpfungspumpen abgesenkt. Bei vielen alten Bäumen erkennt man schon trockene Kronenspitzen. Da sie keinen Kontakt mehr zum Grundwasser haben (schon länger), leben sie vom Sickerwasser, das in oberflächennahen Schichten gespeichert wurde. Wenn dann noch Niederschläge ausbleiben, wie seit über einem Jahr, nimmt die Stressbelastung weiter zu. Wenn in diesem Jahr erneut Dürre und Hitze das Wetter prägen, was sich schon abzeichnet, werden sich weitere Bäume – vermutlich auch im Waldesinneren - verabschieden.

3. Mit den vorrückenden Baggern nehmen die Gefahren für die Bäume am Rand natürlich zu. Der BUND hat kürzlich auf die Gefahr hingewiesen, dass vorrückende Bagger oberflächennahe wasserführende Schichten so schädigen, dass der Wald weitere Wasserreserven verliert. Der BUND hat RWE aufgefordert, einen entsprechenden Abstand zum Waldrand einzuhalten. RWE hat mit der Aussage reagiert, man werde „einen angemessenen Abstand“ zum Wald einhalten. Konkrete Angaben dazu hat RWE verweigert. Aus ökologischer Sicht wäre angemessen, einen größtmöglichen Abstand einzuhalten, d.h. die Baggerarbeiten auf der oberen Sohle sofort einzustellen.

4. Davon unabhängig wird das Grundwasserproblem für den Wald bleiben, selbst wenn man sofort alle Pumpen abstellen und den Tagebau beenden würde. Bis sich hier wieder normale Grundwasserverhältnisse einstellen, wird es viele Jahrzehnte brauchen. Selbst wenn man die Sophienhöhe wieder ins Loch kippt und es dann gelingt, das Restloch mit Wasser zu füllen. Noch über längere Zeit wird der Wald dem Stress des Wasserentzugs ausgesetzt sein.

5. Die Eingriffe durch RWE und Polizei bei den Räumungen mit neue Schneisen, Straßenbau und Baumfällungen waren und sind auch ein Stressfaktor für den Wald, der noch hinzu kommt. Leider wurden mit der neuen Besetzung viele der neuen Siedlungen in bisher sehr ruhigen, ungestörten Waldbereichen gebaut. Und aktuell setzt sich diese Bautätigkeit so leider fort. Das sehe ich aus ökologscher Sicht kritisch. Warum war es nicht möglich, die Baumhaussiedlungen an den alten, durch Eingriffe schon beeinträchtigten Standorten neu zu bauen, so wie es die Aktivisten von Oaktown gemacht haben? Was das im Falle einer Räumung z.B. für den Wald bei Endor, Hazelnut, Winkel und den neuen Siedlungen südlich von Oaktown für Folgen haben wird, möchte ich mir gar nicht vorstellen. Es reicht schon jetzt, was hier an Schäden im Wald feststellbar ist (viele neue Trampelpfade, zu Barrikaden ausgeschichtetes Totholz, das dem Wald entzogen wird und eine permanente Beunruhigung). Wenn man über Belastungen des Waldes spricht, sollte man auch mal kritisch reflektieren, was die Bautätigkeit im Wald für Folgen hat bzw. haben kann. Kann und soll es hier grenzenloses und ungesteuertes Wachstum geben? Im Vergleich zur Hauptursache der Waldgefährdung sind das natürlich nur Kleinigkeiten. Aber wer sich als Waldschützer definiert, ist m.E. besonders gefordert, sich ökologisch bewusst und naturschonend im Wald zu verhalten.

6. Gibt es in Anbetracht der massiven Belastung durch das unmittelbar benachbarte Braunkohleloch für den Wald überhaupt eine Zukunft? Das sollten wir eindeutig mit ja beantworten, das ist meine feste Überzeugung! Selbst wenn weitere Bäume umfallen, weitere sehr alte Bäume auch im Waldesinneren im Laufe der nächste Jahre absterben sollten, stirbt der Wald als Ökosystem nicht! Neuer Wald ist am Boden schon da, das sieht man schön an den Fichtenwindwurfflächen und auch am Waldrand, wo mit jungen Birken und Ebereschen schon der Pionierwald da ist. Bei Lorien gab es solch einen Pionierwald schon, leider hat ihn RWE bei der Räumung (völlig unnötig) komplett gerodet. Wenn wir die Zukunft des Hambi denken, sollten wir auf Naturgesetze und natürliche Waldentwicklung vertrauen. Solche Prozesse werden noch viel zu wenig in Wäldern zugelassen, hier besteht die Chance. Denn an dem Standort bleibt Wald, trotz Klimawandel, die natürliche potenzielle Vegetation. Und auch mit den riesigen am Boden liegenden Baumkronen bleiben, bis sie zerfallen sind, wertvolle Waldstrukturen erhalten. In Zukunft sollten also Förster aus dem Wald raus bleiben, Baumentnahmen und Aufforstungen brauchen wir nicht, die Natur macht das schon!

Zur Übersicht