Regionalgruppe Köln

Sicherheit auf der langen Bank - Flussökologische Anforderungen ebenfalls

22. Dezember 2022 | Agger, Energiewende, Flüsse & Gewässer, Kreisgruppe Oberberg, Lebensräume, Naturschutz

Abschluss der Sicherheitsüberprüfungen der Stauanlagen nunmehr für 2024 angekündigt.

Das neue Wehr Ohl-Grünscheid im Dezember 2022. Eine Fehlinvestition für die Agger. Angestaut werden darf erst, wenn die Bemessungswassermengen mittels eines Niederschlags - Abfluss - Modells errechnet worden sind. Das ist vom Aggerverband für 2024 avisiert. Das neue Wehr Ohl-Grünscheid im Dezember 2022. Eine Fehlinvestition für die Agger. Angestaut werden darf erst, wenn die Bemessungswassermengen mittels eines Niederschlags - Abfluss - Modells errechnet worden sind. Das ist vom Aggerverband für 2024 avisiert.  (Friedrich Meyer)

Auf der letzten Sitzung des Regionalrates Köln stellte die Fraktion der GRÜNEN im Regionalrat der Bezirksregierung Köln eine Anfrage zur Sicherheit der Stauanlagen in der Agger (s. Anlage), die sie in ähnlicher Weise schon einmal vor fünf Jahren, im Dezember 2017, gestellt hatte. Die Stauanlagenlagen müssen alle zehn Jahre nach einem festgelegten Regelwerk, der DIN 19700 auf ihre Sicherheit überprüft werden. Dementsprechend hatte die Bezirksregierung Köln 2014 alle Anlagenbetreiber im Regierungsbezirk Köln aufgefordert, diese sogenannte vertiefte Überprüfung bis Ende 2016 vorzulegen. Die Prüfung ist heute immer noch nicht abgeschlossen.

Stattdessen hatte sich durch die Jahre ein regelrecht zäher Kampf zwischen den Aggerkraftwerken GmbH & Co. KG und der BezReg Köln um die Vorlage einzelner Prüfungen hingezogen. Trotz fehlender Unterlagen beantwortete die BezReg Köln die Anfrage der GÜNEN im Dezember 2017 sehr forsch: "Eine akute Beeinträchtigung der Sicherheit besteht an keiner der Stauanlagen in der Agger und Wiehl. Aus diesem Grund kann ich gegenüber den Betreibern keine Maßnahmen mit einer sofortigen Vollziehung durchsetzen." Dies, obwohl der damalige Sachkundige Einwohner im Planungs- und Umweltausschuss des Gemeinderates der Gemeinde Engelskirchen, Friedrich Meyer, das Umweltministerium im Juni 2017 darauf hingewiesen hatte, dass er von Insidern über die wegen der Vernietung bedenklichen Lage informiert worden war.

Nachdem die Bezirksregierung Köln die Anlage Ohl-Grünscheid dann 2018 einmal genauer angeschaut hatte, stellte sie Gefahr in Verzug fest und ordnete die sofortige Vollziehung, d.h. Niederlegung, an. Dagegen gingen die Aggerkraftwerke gerichtlich vor und mussten sich dann im Beschluss vom Verwaltungsgericht Köln sagen lassen, dass ihre wirtschaftlichen Interessen, "vorläufig weiterhin Nutzen aus dem Betrieb der ihr seit Jahren bekannt schadhaften Stauanlage zu erzielen, ... hinter dem öffentlichen Interesse zurücktreten (muss), konkrete und naheliegende Schäden für erhebliche Sachwerte und möglicherweise für Leib und Leben von Menschen abzuwenden."

Wie 2017 heißt es nunmehr nach 5 Jahren in der Antwort (s. Anlage) auf die Anfrage der GRÜNEN im Regionalrat Köln: "Eine akute Gefährdung liegt bei keiner Anlage vor."

Seit 2016 hat der Aggerverband zusätzlich ein Niederschlags-Abflussm-Modell (NAM)für die Berechnung der Wassereingangssituation an den Stauanlagen in Aussicht gestellt. Mit diesem NAM können die Wasserbewegungen im gesamten Einzugsgebiet der Agger und damit auch die Bemessungswassermengen an den Stauanlagen berechnet werden. Dementsprechend aufwendig ist die Berechnung des NAM. Es wurde 2021 von der BezReg Köln für Januar 2022 in Aussicht gestellt. Nunmehr wurde dieser Termin vom Aggerverband auf 2024 verlegt. Warum man nicht einfach von einem Niederschlagsereignis wie an der Ahr oder an der Erft im letzten Jahr ausgeht um so schnell wie möglich die größtmögliche Sicherheit herzustellen, erschließt sich uns nicht.     

Das Wehr Ohl-Grünscheid ist dieses Jahr fertiggestellt worden, darf aber noch nicht in Betrieb gehen. Die Aggerkraftwerke haben der BezReg Köln die hydraulischen Nachweise auf Grundlage der derzeit gültigen Bemessungswassermengen vorgelegt. Der zuständige Dezernent Harald Borsch informiert in der Anfrage, dass dieser Nachweis von ihm geprüft werde. Allerdings hatte die ehemalige Umweltministerin Ursula-Heinen-Esser letztes Jahr auf eine Landtagsanfrage von Norwich Rüße (Grüne) hin klar festgelegt, dass ein Wiederanstau der Anlage erst nach Fertigstellung des NAM erfolgen kann. Warum die anderen Anlagen, bei denen die gleiche Problematik - es geht nicht nur um das Wehr, sondern um die gesamten Anlagen mit Deichen etc. - besteht, weiterlaufen dürfen, ist eine berechtigte Frage, die allerdings von der BezReg Köln nicht beantwortet wurde.

Der "Oberberg-Erlass" sah vor, die Sicherheitsüberprüfung und die Ökologischen Anforderungen gemäß Wasserhaushaltsgesetz (WHG) in einem Verfahren zu erarbeiten

Dem Oberbergischen Kreis war am 7.11.2016 in dem von der Landesregierung vorgelegten "Oberberg-Erlass" ein tragfähiges Sanierungskonzept in Aussicht gestellt worden. Dem Betreiber sollten in einem Verfahren die Anforderungen aus der laufenden vertieften Überprüfung der Sicherheit als auch die ökologischen Anforderungen nach den §§ 33 - 35 Wasserhaushaltsgesetz (Mindestwasser, Durchgängigkeit, Fischschutz) ersichtlich werden. Damit sollte ihm die wirtschaftliche Prüfung ermöglicht werden, "ob sich die Weiterführung des Betriebs in Anbetracht der zu erfüllenden Anforderungen an die Standsicherheit sowie der auch zu erfüllenden ökologischen Anforderungen rechnet".

Weiterhin hieß es in dem "Oberberg-Erlass": "In einem Planfeststellungsverfahren, das durch die Maßnahmen zur Wiederherstellung der Standsicherheit erforderlich wird, sind alle Belange durch die zuständige Wasserbehörde abzuwägen und damit auch die ökologischen Belange zu betrachten und zu lösen. Diese zeitlich abgestimmte Vorgehensweise ist am besten geeignet, die in den Anlagen der Aggerstaukette auftretenden anlagentechnischen und ökologischen Defizite zu ermitteln, um ein tragfähiges Sanierungskonzept zu erarbeiten."

Die Landesregierung ging entsprechend der gewählten Fristsetzung durch die Bezirksregierung Köln (Ende 2016) davon aus, dass "eine zeitnahe Bearbeitung dieser Fragen durch die Betreiber erfolgen wird".

Nach Maßgabe des nach fünf Jahren Ende 2021 abgelaufenen Erlasses ist festzustellen, dass weder die Sicherheitsüberprüfungen abgeschlossen sind noch die ökologischen Anforderungen des Wasserhaushaltsgesetzes erfüllt worden sind.

Die Betreiberin der Stauanlagen, die Aggerkraftwerke GmbH & Co. KG, hat zwischenzeitlich alle Wasserkraftanlagen in der Agger erworben. Sie hat den "Oberberg-Erlass" ignoriert und seit 2019 laut stern.de rund 8 Millionen Euro investiert. Ob sie davon ausgeht, in absehbarer Zeit oder generell von den ökologischen Anforderungen des Wasserhaushaltsgesetzes, die Millionen von Euro erfordern würden, verschont zu werden, ist nicht bekannt. Zumindest hat die Landesregierung 2021 schon einmal entgegen der Europäischen Gesetzgebung, dass spätestens bis 2027 die Mindestwassermenge und die Durchgängigkeit gewährleistet werden müssen, diese auf 2033 (Mindestwasserführung) bzw. 2039 (Durchgängigkeit) im Bewirtschaftungsplan NRW 2022 - 2027  festgelegt. Dagegen klagt der BUND NRW.

Die Landesregierung hatte wohl auf eine realistische wirtschaftliche Investitionsentscheidungen der Aggerkraftwerke gehofft und war wohl davon ausgegangen, dass die Aggerkraftwerke sich angesichts der erwarteten Sanierungskosten und der Kosten für die fischökologischen Bestimmungen aus dem Geschäft zurückziehen. Dabei hatte die Landesregierung ihre Rechnung ohne den Besitzer der Aggerkraftwerke gemacht. Dieser ist nicht von Einnahmen aus den Agger-Wasserkraftanlagen abhängig, investiert ohne Ende und ist wohl der Meinung etwas Gutes zu tun. Die Landesregierung sollte deshalb nach Maßgabe der vor der Beschließung befindlichen Nationalen-Wasserstrategie eine Strategie für die Agger entwickeln, die die langfristige Zukunft der Agger nach Maßgabe des öffentlichen Interesses zur Grundlage hat. Die Schaffung von neuem Retentionsraum durch Rückbau der Stauanlagen zur besseren Bewältigung von Hochwässern  und die Wiederentwicklung von Auenflächen insbesondere auf den nieder zu legenden Stauanlagen - sowie die ökologischen Vorteile eines frei fließenden Flusses, müssen dabei in Betracht gezogen werden. Nicht zuletzt müssen neben dem Sanierungsaufwand der bald hundertjährigen Anlagen auch der permanente Verwaltungsaufwand der Bezirksregierung und die Kosten der in 10 -Jahresinterwallen anfallenden vertieften Überprüfungen berücksichtigt werden.*

Die Antwort der Bezirksregierung auf die Anfrage der GRÜNEN im Regionalrat "Konsequenzen aus dem Ausbleiben des Agger- Niederschlags-Abfluss-Modells (NAM) für die Sicherheit der Bewohner des Aggertals" ist nach Auffassung der Herausgeber des Aggerbriefs sehr unbefriedigend, intransparent und wird der Problemlage nicht gerecht.

Das Mitglied des Regionalrates Manfred Waddey  gab in der Regionalratssitzung zu Protokoll, dass die Beantwortung  der Anfrage nicht befriedigend ist, endlich Bewegung in die Sache kommen und sich das Ministerium einschalten muss.

 

* Inbetriebnahme Ohl-Grünscheid 1928, Ehreshoven I 1932, Ehreshoven II 1933, Wiehlmünden 1939, Haus Ley 1955, Osberghausen 1956

 

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