Positiv, aber selbstverständlich, ist, dass das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) nicht geändert werden soll. Das WHG setzt die Europäische Wasserrahmenrichtlinie, die in Europa gilt, in nationales Recht um. Änderungen des Wasserhaushaltsgesetzes müssen daher immer mit der WRRL übereinstimmen. Wenn jetzt im Koalitionsvertrag angekündigt wird, bestehende Potentiale bei der kleinen und großen Wasserkraft heben zu wollen, dann können die beiden Grundprinzipien des WHG, das Verschlechterungsverbot und das Verbesserungsgebot nicht außer Kraft gesetzt werden. Das heißt, die vom WHG vorgegebenen flussökologischen Mindestauflagen müssen in jedem Fall eingehalten werden. Bislang scheiterte dies am Gesetzesvollzug. Bei Einhaltung der Gesetze wird es teuer und wenn nicht erheblich gefördert wird, regelt der Markt das Schicksal der kleinen Wasserkraft. Für die entsprechenden Förderungen könnte man mit Sonnen- und Windanlagen ein Vielfaches von regenerativer Energie erwirtschaften. Wenn die Potentialheber von CDU und SPD eine entsprechende Förderpolitik betreiben würden, kämen sie in Erklärungsnot.
Unumstritten ist, dass an den Talsperren noch Wasserkraft zu heben ist. So gibt es noch an Genkel- und Wiehltalsperre Potential durch Optimierung der Anlagen zu heben. An der Aggertalsperre hat die Aggerenergie vor einigen Jahren die Technik optimiert. In der Agger ist nichts mehr zu heben, der Rückzug der Wasserkraftnutzung ist absehbar. Bereits vor Jahren wurde die Stauanlage Rebbelroth zu Gunsten eines Gewerbegebietes aufgegeben. Die Stauanlage Osberghausen steht vor dem Aus weil Aggerverband und der Betreiber der Wasserkraftanlage, die Aggerkraftwerke GmbH & Co.KG sich nicht auf die Kosten für die flussökologischen Auflagen der gerichtsfesten Erlaubnis einigen können. Die Anlage wird zum Ende des Jahres abgestaut. Die übrigen fünf Stauanlagen, die alte Rechte haben, d.h. keine neuen Erlaubnisse beantragen müssen, aber dennoch die Gesetzesvorgaben für Mindestwasser, Durchgängigkeit und Fischschutz erfüllen müssen, stehen jetzt unter enormen Druck. Nachdem die Landesregierung mit dem sogenannten Oberberg-Erlass 2016 zunächst nicht auf Einhaltung der Gesetze bestanden hatte, bis den Betreibern das Investitionsvolumen für die Anlagensicherheit und die flussökologischen Erfordernisse ersichtlich werden sollte, fährt die Bezirksregierung Köln jetzt einen anderen Kurs und will ernst machen. Hilfreich war dabei sicherlich die Herstellung der Öffentlichkeit, woran der Aggerbrief seinen Anteil hatte, aber vor allem Klarstellungen wie die jüngste vom Umweltbundesamt (13.03.2025).
"Die nach den §§ 33-35 WHG geltenden Voraussetzungen für die Mindestwasserführung, für die Durchgängigkeit und für den Schutz der Fischpopulation unterliegen keiner Abwägungsentscheidung aus übergeordneten Gesichtspunkten. Sie dürfen nicht weg gewogen werden noch darf auf sie wegen Unverhältnismäßigkeit verzichtet werden."
Diese Rechtsauffassung findet sich auch in der Nationalen Wasserstrategie von 2023 wieder, die im Hause der ehemaligen Umweltministerin Steffi Lemke unter Einbeziehung der Verbände und Länder und mit Verabschiedung durch die Bundesregierung entstanden ist. Erfreulicherweise nehmen CDU und SPD in ihrer Koalitionsvereinbarung auf sie Bezug und kündigen an, "priorisierte Maßnahmen der nationalen Wasserstrategie" umzusetzen und sie gemeinsam mit den Ländern "vor dem Hintergrund des Klimawandels" weiterentwickeln zu wollen. Zu achten wird dabei sein, inwieweit etwa die Aktion 46 der Nationalen Wasserstrategie angegangen wird. Hier wird zunächst festgestellt, dass der Betrieb von Wasserkraftanlagen dazu beiträgt, dass die Bewirtschaftungsziele nach der Wasserrahmenrichtlinie noch nicht erreicht werden. Dann heißt es: "Gemeinsam mit den Ländern werden mögliche Maßnahmen im Bereich der Wasserkraft geprüft, die zur Verbesserung der gewässerökologischen Situation an Fließgewässern in Deutschland insbesondere im Hinblick auf die Erreichung der Ziele der Wasserrahmenrichtlinie beitragen. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei der ökologischen Durchgängigkeit für Organismen und Sedimente, einschließlich des Fischschutzes. Dazu gehören unter anderem Schritte zur konsequenten Durchsetzung der gesetzlichen Anforderungen (§§ 33 ff. WHG) - insbesondere bei vorhandener Wasserkraftnutzung - im Vollzug sowie zum Rückbau von Anlagen (Hervorhebung FM). Einen Ansatz zur Umsetzung von Maßnahmen könnten Landesfördermittel für die ökologische Sanierung und den Rückbau von Wasserkraftanlagen haben, die auch an Private vergeben werden können."
Die Länder reagieren natürlich sehr sensibel, wenn der Bund ihnen zu Landesfördermitteln rät. Die Länder könnten wiederum darauf verweisen, dass im Koalitionsvertrag im Kapitel "Wasserstrategie" angekündigt wird: "Wir prüfen die bessere Finanzierung von notwendigen Infrastrukturmaßnahmen." Aus dem jüngst beschlossene Infrastruktur-Sondervermögen von 500 Milliarden Euro könnte sicherlich auch der Rückbau der Engelskirchener Stauanlagen finanziert werden. Dies würde einer frei fließenden Agger mit Auen auf den bisherigen Stauanlagen und damit der Biodiversität, dem Artenschutz, aber auch den Ökosystemleistungen der Agger dienen.
Eine Renaturierung der oberen Agger - die untere Agger bis zur Grenze des Oberbergischen Kreises ist schon FFH-Gebiet - ist auch ableitbar aus dem im Koalitionsvertrag erwähnten milliardenschweren Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz (ANK) der letzten Bundesregierung, das verstetigt werden soll. (man sich vorgenommen hat, zu verstetigen.) Hier wird die treffende Aussage gemacht: "Die großen Potentiale naturnaher Fließgewässer- und Auen sollen für den Natürlichen Klimaschutz, zur Klimaanpassung und zur Sicherung der biologischen Vielfalt genutzt werden. Wo immer es möglich ist, sollen naturnahe Fließgewässer und Auen bewahrt oder wiederhergestellt werden. Naturschutz, Klimaschutz und die Anpassung an die Klimakrise (Hochwasserschutz und Verbesserung des Landschaftswasserhaushalts) müssen dabei grundsätzlich gemeinsam betrachtet und bei Maßnahmenumsetzung berücksichtigt werden. Insbesondere die Rückgewinnung und funktionale Wiederanbindung von natürlichen Retentionsräumen zur Förderung nachhaltiger Nutzungsweisen sind dabei von wesentlicher Bedeutung." S.22
Zur Hebung der kleinen Wasserkraft bis 1 Megawatt installierter Leistung, wie wir sie hier an der Agger haben, hat sich jüngst das Umweltbundesamt geäußert. In der am 17.03.2025 veröffentlichten Schrift "Nutzung der Wasserkraft" heißt es: "Nennenswerte Potentiale, um die Klimaschutzziele zu erreichen, liegen in der Modernisierung oder dem Ersatzneubau großer Wasserkraftanlagen... . In wertvollen und sensiblen Fluss- und Auenlandschaften können die negativen Folgen der Wasserkraftnutzung ihren positiven Beitrag für den Klimaschutz überwiegen."
Die anfangs gestellte Frage, was die Agger von der Koalition erwarten kann, ließe sich wie folgt beantworten:
Zunächst einmal geht es an der Agger darum, dass die Bezirksregierung Köln den Aggerkraftwerken endlich Bescheide ins Haus schickt, die Ordnungsverfügungen für jede einzelne Wasserkraftanlage beinhalten (Mindestwasserführung, Durchgängigkeit und Fischschutz). Das wurde bislang nicht gemacht, weil die Bezirksregierung Köln noch an der Festlegung der Mindestwassermengen arbeitet. Hier hat es das Landesumweltministerium noch nicht geschafft, einen Erlass herauszugeben, der es den Wasserbehörden ermöglicht, die Werte mit wenig Aufwand zu ermitteln, obwohl im Jahr 2020 die Bund-Länderarbeitsgemeinschaft Wasser schon entsprechende Empfehlungen herausgegeben hat.
Noch unklar ist, ob der Nachfolger von Steffi Lemke, Carsten Schneider, auch deren Gewässerengagement besitzt. Es ist zu hoffen, dass dieser die "Hebeoffensive" der kleinen Wasserkraft als das erkennt was sie ist: CSU-Folklore aus Bayern, wo viele Kleinwasserkraftbetreiber darum bangen, dass das Wasserhaushaltsgesetz an ihnen vorbeigeht, weil sich sonst ihr Geschäftsmodell nicht rechnet. Aber auch in NRW gibt es noch Politiker, die immer noch den toten Gaul der kleinen Wasserkraft reiten und in Aussicht stellen, die "Wasserkraftstandorte unter ökologischen Aspekten" weiter zu entwickeln (Koalitionsvertrag von CDU und GRÜNEN 2022-2027). Und im Landtagswahlprogramm der GRÜNEN steht, dass insbesondere kleine Wasserkraftanlagen unter ökologischen Aspekten weiterentwickelt werden müssen. Es wird von "fisch- und fließgewässerfreundlichen Wasserkraftwerken" gesprochen, die bevorzugt werden sollten. Mit solcher Schönfärberei hat die Wissenschaft aufgeräumt und dargestellt, dass der Lebensraum der Gewässer sich nicht mit der kleinen Wasserkraft vertragen kann (Memorandum deutscher Wissenschaftler*innen zum politischen Zielkonflikt Klimaschutz versus Biodiversitätsschutz bei der Wasserkraft vom 4. November 2021).
Hoffnung macht nunmehr, dass die NRW-Grünen auf der jüngsten Landesdelegiertenkonferenz am 24./25. Mai in ihrer Kritik am Koalitionsvertrag bezüglich dem Schutz von Biodiversität und Artenschutz sich erfreut gezeigt haben, dass der Koalitionsvertrag die Nationale Wassersstrategie und das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz erwähnt. Diese beiden Dokumente sind die Messlatte für die künftige Politik der Koalition in Berlin als auch für einen Politikwechsel der Koalition in Düsseldorf.
Wenn es dieses Jahr zur Versendung der Bescheide an die Aggerkraftwerke GmbH & Co.KG kommt, wird es spannend. Zu erwarten ist, dass die Aggerkraftwerke umgehend klagen, allein schon deshalb, um Zeit zu gewinnen. Unwahrscheinlich, dass sie akzeptieren und in die Durchgängigkeit investieren. Oder sie geben nach den Millioneninvestitionen in das neue Wehr und die modernen Turbinen ihr Geschäftsmodell auf. Für die Agger wäre dies das Beste.
Friedrich Meyer 27.05.2025