Regionalgruppe Köln

Was kann man von der Ampel für die Agger erwarten?

04. April 2022 | Agger, Flüsse & Gewässer, Kreisgruppe Oberberg, Naturschutz

Steffi Lemke, Umweltministerin, Bündnis 90/Die Grünen Steffi Lemke, Umweltministerin, Bündnis 90/Die Grünen  (Stefan Kaminski)

"Gemeinsam mit den Ländern setzen wir die EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) zum Schutz des Wassers als öffentliches Gut konsequent und zügig um." So heißt es in dem Kapitel "Wasserschutz" im Koalitionsvertrag der Ampel. Schon 2005 hieß es in der Koalitionsvereinbarung zwischen CDU/CSU und SPD ähnlich: "Bund und Länder werden die europäische Wasserrahmenrichtlinie in enger Abstimmung umsetzen und sich auf europäischer Ebene für ein harmonisiertes Vorgehen einsetzen." Was dabei etwa an der Agger herausgekommen ist: - NICHTS bezüglich der Haupthindernisse, den Stauanlagen in Engelskirchen. Im Gegenteil, die Zielerreichung der Wasserrahmenrichtlinie und damit auch des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG), die schon 2015 hätte erfolgt sein sollen, spätestens jedoch 2027, soll nach dem jüngst von der Landesregierung herausgegebenen 3. Bewirtschaftungsplan an der Agger und anderswo erst 2039 erfolgen.

Das Problem besteht darin, dass der Bund auf Grundlage der in Europa geltenden Wasserrahmenrichtlinie die Gesetze etwa für den guten Zustand, die Mindestwasserführung bei Stromerzeugung, und die Durchgängigkeit im Wasserhaushaltsgesetz festgelegt hat, die Länder aber für die Umsetzung zuständig sind. Statt das Gesetz durchzusetzen, also dem Betreiber einer Stauanlage mittels eines Bescheides vorzugeben, bis wann er die z.B. die Durchgängigkeit herzustellen hat, entschied man sich in NRW für den sogenannten "kooperativen Weg". Dem Betreiber sollte die Möglichkeit gegeben werden, sein Geschäftsmodell nach Maßgabe der zu erwartenden Investitionen für die Sicherheit und die flussökologischen Maßnahmen zu überdenken um dann die notwendigen Maßnahmen umzusetzen oder aus dem Geschäft auszusteigen. Dies wurde für die Agger 2016 in einem Erlass des Umweltministeriums an den Oberbergischen Kreis, dem sogenannten "Oberberg-Erlass" so festgelegt. Mit dem Ergebnis, dass sich weder etwas an der Situation der Agger geändert hat, noch die Bezirksregierung nach Monaten eine Antwort auf die schlichte Frage geben kann, ob der Erlass noch gültig ist.

Die Ankündigung der Ampel, die WRRL konsequent und zügig umzusetzen, ist erfreulich. Sie kann aber nur ernst genommen werden, wenn aus dem bisherigen Misserfolg Lehren gezogen werden. Aus Sicht des Wassernetzes NRW sind dies, bezogen auf die Mittelgebirgsgewässer, stichwortartig:

1. Das Land muss selber nach wirtschaftlichen und ökologischen Kriterien eine Güterabwägung für die Gewässer durchführen, was jeweils für ein Ziel verfolgt werden soll - die Beibehaltung der Nutzung der Wasserkraft mit entsprechenden Auflagen oder der Rückbau der Anlagen mit öffentlicher Förderung.

2. Der Bund muss überprüfen, ob das WHG nach Maßgabe des bisherigen Misserfolges bei der Umsetzung der WRRL novelliert werden muss bzw. wie die konsequentere Anwendung des geltenden Wasserrechts zur Minderung negativer ökologischer Auswirkungen von Wasserkraftwerken sichergestellt werden kann.

3. Die mangelnde Flächenverfügbarkeit verlangt ein funktionierendes Bodenordnungsverfahren.

4. Die bisherige Förderpolitik auch mittels des Erneuerbaren Energien Gesetzes (EEG), insbesondere bei der Kleinen Wasserkraft von Anlagen bis zu 1 MW elektrischer Leistung, muss geändert werden. Hier haben die 65 Fachwissenschaftler:innen des Memorandums "Energiewende nicht auf Kosten der aquatischen Biodiversität" das Notwendige gesagt. (Dazu die Aggerbrief-Meldung vom 6. 11. 2021)

Im Rahmen der Koalitionsvereinbarung werden beim Kapitel "Wasserschutz" noch die Wiederverwendung von Abwasser und das Wasserabgabengesetz, die Wassergefährdenden Stoffe, eine Umweltqualitätsnorm für Arzneimittelwirkstoffe im Wasserrecht, Mikroplastik und die Stickstoffeinträge behandelt - allesamt wichtige Themen auch für die Agger.   

Die Umweltministerin Steffi Lemke im BUND MAGAZIN 01/22: "Frei fließende Flüsse sind mir schon lange ein Herzensanliegen. Natürliche Bäche und Flüsse bleiben ein ganz wichtiges Ziel, auch wenn es nicht explizit im Koalitionsvertrag steht." Für eine frei fließende Agger kann man daraus schließen, dass man nicht die Durchsetzung der Durchgängigkeit durch Fischtreppen das Ziel sein sollte, sondern der Rückbau der Anlagen. Lieber ein befristetes Weiterlaufen der Anlagen an der Agger ohne die technische Durchgängigkeit als eine unbegrenzte Zerstörung der Flussökologie durch Stauanlagen mit Fischtreppen.

Die Agger, Teil des Ampel-Planes für natürlichen Klimaschutz

Für die Lebensräume im Aggereinzugsgebiet ist auch das jüngst von Steffi Lemke vorgelegte Eckpunktepapier "Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz" von Belang.  Damit soll ein substantieller Beitrag geleistet werden, die Ziele der Bundesregierung zum Schutz der biologischen Vielfalt und zur Vorsorge gegen die Folgen der Klimakrise zu erreichen. Dazu gehört auch ein naturnaher Wasserhaushalt mit intakten Flüssen sowie ihrer Auen, die einen großen Beitrag zum Biotopverbund leisten können. "Die Renaturierung von Gewässersystemen und die Wiederanbindung von Auen sichert Rückzugsgebiete für eine vielfältige Tier- und Pflanzenwelt. Gleichzeitig filtern Auen das Oberflächenwasser, halten es in der Landschaft, beugen dadurch Dürren vor und bieten Rückhalteräume als vorbeugenden Hochwasserschutz." In diesem Sinne hätten auch die durch die Niederlegung der Stauanlagen neugewonnen Auenflächen, wie in Ohl-Grünscheid, ihre Funktion. Für die Renaturierungsmaßnahmen und die ökologische Aufwertung von Flächen in Auen soll es nach Maßgabe einer Ermittlung einer potentiellen Gebietskulisse finanzielle Investitionsanreize zur Wiederanbindung von Auen geben. Für die Stauanlagen an der Agger von besonderer Bedeutung ist die Förderung der Sanierung schadstoffbelasteter Sedimente. Kurzfristiges Ziel muss es mithin sein, diese Punkte im neuen Gebietsentwicklungsplan zu verankern. Die Bezirksregierung Köln muss zeitnah eine entsprechende Gebietskulisse an Bund und Land melden.

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