Es bewegt sich was in Sachen Herstellung der Sicherheit an den Aggerkraftwerken. Das ergab die Beantwortung einer Anfrage des Wassernetz NRW, Flussgebietskoordinator für die Agger an das NRW-Umweltministerium.
Die Sicherheitsprüfung der Anlagen Ehreshoven I und II, Ohl-Grünscheid, Haus Ley und Wiehlmünden gemäß der Vertieften Überprüfung nach DIN 19700 war von der Bezirksregierung Köln von den Betreibern (damals waren es noch mehrere Betreiber) schon 2013 für das Jahr 2016 angefordert worden. Die Vertieften Überprüfungen sind bis heute nicht abgeschlossen. Zwischenzeitlich wurde noch durch richterlichen Beschluss 2019 die Anlage Ohl-Grünscheid wegen Gefahr im Verzug niedergelegt.
Ein Grund für die Verzögerung der Sicherheitsprüfung war bislang, dass bis heute kein Niederschlags-Abfluss-Modell (N-A-M) erarbeitet wurde, mit dem auch die sogenannten Bemessungswassermengen hoher Jährlichkeiten bis zu Extremhochwässer, die im Zeitraum von 1000 Jahren erwartet werden können, berechnet werden können. Dies ist aber Voraussetzung für die Fertigstellung der Vertieften Überprüfung. Auf dem Hintergrund der Hochwasserkatastrophen an der Ahr und an der Erft im Jahr 2021 ist die Dringlichkeit des Abschlusses der Vertieften Überprüfung offensichtlich.
In der Beantwortung einer Kleinen Anfrage des Landtagsabgeordneten Norwich Rüße von den Grünen zur Sicherheitssituation an der Agger legte sich die damalige Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) 2021, noch vor der Hochwasserkatastrophe im Juli 2021, fest: "Der Wiederaufstau der Stauanlage Ohl-Grünscheid wird erst dann erfolgen können, sobald die Stauanlage die Anforderungen nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik erfüllt. Die Bezirksregierung Köln hat die dem Betreiber schriftlich mitgeteilt."
Warum die anderen Anlagen nach den Erfahrungen der folgenden Hochwasserkatastrophe trotz fehlender Vertiefter Überprüfung weiterbetrieben werden durften, war schwer einsehbar. (Siehe Meldungen 2021)
Nunmehr beantwortet das Ministerium die Frage nach dem Stand der Dinge: "Das N-A-M liegt zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht vor, weshalb auch die Vertieften Überprüfungen noch nicht abgeschlossen sind. Allerdings soll die Aufstellung dieses Modells in Kürze abgeschlossen werden. Anschließend folgt eine Kallibrierung des N-A-M auf Abflüsse hoher Jährlichkeiten, um dessen Verwendung in der Vertieften Überprüfung zu ermöglichen. Hierzu befindet sich die Bezirksregierung Köln mit dem Aggerverband im Austausch." Den Abschluss der Arbeiten zum N-A-M erwartet die Bezirksregierung Köln bis zum Ende des Jahres.
Es zeichnet sich ab, dass dann, wenn auf der Grundlage des N-A-M die Vertieften Überprüfung vorliegen, es zu einer Prozessflut kommen wird. Auch wenn es zu einer Übereinstimmung zwischen Bezirksregierung und Aggerkraftwerken über den Sanierungsbedarf an den Wasserkraft- bzw. Stauanlagen kommen sollte, was längst nicht ausgemacht ist, droht den Aggerkraftwerken der "Oberberg-Erlass" von 2016, der immer noch gültig ist. Hier hatte das Düsseldorfer Umweltministerium unter Johannes Remmel von den Grünen die Verpflichtung zur Herstellung von Mindestwasserführung, Durchgängigkeit und Fischschutz im Sinne des § 27 Wasserhaushaltsgesetz, vorübergehend außer Kraft gesetzt. Stattdessen sollten nach Fertigstellung der Vertieften Überprüfung im Rahmen von notwendigen Planfeststellungs- oder Genehmigungsverfahren für die Sanierung die zu erfüllenden flussökologischen Anforderungen zusammen mit den sicherheitsbedingten Sanierungsanforderungen zeitlich in einem Verfahren zusammengeführt werden. Diese Herangehensweise hätte auch den Vorteil, so das Ministerium, dass "ein Betreiber eine wirtschaftliche Prüfung, ob sich die Weiterführung des Betriebs in Anbetracht der zu erfüllenden Anforderungen an die Standsicherheit sowie der auch zu erfüllenden ökologischen Anforderungen rechnet, durchführen kann."
Die Geschichte hat bekanntlich einen anderen Verlauf genommen. Der behördeninterne "Oberberg-Erlass" hat den Inhaber der Aggerkraftwerke nicht beeindruckt. Schon kurz nach dem Kauf der Anlagen um 2013 tönte sein Vertreter auf einem Arbeitsgespräch bei der Bezirksregierung Köln am 14. 8. 2014, dass seine Anlagen Altrechte ohne Auflagen für Durchgängigkeit und Restwasser hätten. Bei nachträglichen Auflagen müsse die Verhältnismäßigkeit beachtet werden, ggf. seien Entschädigungen zu zahlen und die Wasserrahmenrichtlinie sei Wunschdenken.
Ohne den Prozess der Vertieften Überprüfung mit anschließenden Sanierungskonzept abzuwarten, starteten die Aggerkraftwerke eine Investitionsoffensive, vor allem in das neue Stahlwehr in Ohl Grünscheid und in neue Turbinen in Ehreshoven I und II, Ohl-Grünscheid und der mittlerweile erworbenen Wasserkraftanlage Osberghausen. Zur Zeit wird an dem Ausbau der Turbine in der Wasserkraftanlage Haus Ley gearbeitet, damit dort eine neue Turbine eingebaut werden kann. Mittlerweile haben die Aggerkraftwerke, wenn man deren Angaben zu Grunde legt, sicherlich 20 Millionen Euro investiert. Hinzu kommt ein einstelliger Millionenbetrag für den Kauf der Anlagen. Auer wird in die Prozesse gegen die Auflagen, die die Bezirksregierung nach Maßgabe des "Oberberg-Erlasses" erheben wird, mit der Behauptung antreten, dass es unverhältnismäßig sei, nochmal etwa 20 Millionen Euro für Durchgängigkeitsmaßnahmen zu investieren. (Zur Sinnhaftigkeit von technischen Durchgängigkeitsmaßnahmen an der Agger siehe Meldungen vom 21.5.24, 6.3.24 und weitere.)
Erfreulicherweise haben zwischenzeitlich verschiedene Gerichte in Deutschland klargestellt, dass die flussökologischen Bestimmungen des Wasserhaushaltsgesetzes auch für Anlagen nach altem Recht (alle Anlagen außer Osberghausen), die nicht in Zeitabständen neue Erlaubnisse beantragen müssen, gelten. Wenn also von Unverhältnismäßigkeit gesprochen wird, dann muss Herr Auer in sich gehen und sich fragen, ob es verhältnismäßig war, in die Aggerkraftwerke zu investieren. Die zahlreichen Vorbesitzer jedenfalls sind aus den Anlagen geflohen, weil sie abschätzen konnten, was auf sie zukommen würde.
Schätzt man grob die Einnahmen und Ausgaben der Aggerkraftwerke ab, dann hängen die Einnahmen von den Preisen an der Strombörse, an die die Aggerkraftwerke ihren Strom verkaufte, ab. Diese schwanken stark und sind seit 2022, als der Preis an der Börse im Jahresdurchschnitt bei 235 Euro pro MWh lag auf 67,70 Euro im Juli 2024 gefallen. Vermutlich geht daher der Aggerstrom nicht mehr an die Börse, sondern es wird die Erstattung gemäß dem Erneuerbare Energie Gesetz in Anspruch genommen. Diese Erstattung richtet sich nach der jeweiligen installierten Leistung des einzelnen Kraftwerkes nach Größenklassen. Auf Grundlage des von der LANUV, der Fachbehörde des Umweltministeriums, in der Potentialstudie ermittelten Jahresertrags von 7795MWh, wären dies grob geschätzt 850000 Euro, wobei die tatsächlich geringer ausfallen, weil Ohl-Grünscheid momentan nicht im Betrieb ist. (Genauere Zahlen könnten die Aggerkraftwerke darlegen. Vielleicht kommt es dort ja noch zu einer Transparenzoffensive und einer Darlegung des Geschäftsmodells nach Maßgabe der Abschreibungen. Stellt man den Einnahmen allein die Ausgaben für den Kapitaldienst für die Investitionen, die Gutachterkosten, die Gehaltskosten für fünf Mitarbeiter der Aggerkraftwerke vor Ort und vor allem die Kosten für die zahlreichen Gerichtsverfahren, die die Aggerkraftwerke gegen die Bescheide der Bezirksregierung führt, entgegen, dann ist es in den Augen von Herrn Auer unverhältnismäßig, dass er auch noch etwas für die Flussökologie bezahlen soll.
Das alles war absehbar. Die Investition in die Aggerkraftwerke war eine totale Fehlinvestition des Herrn Auer. Den Landesregierungen muss vorgehalten werden, dass sie sich nicht frühzeitig um ein kohärentes Gesamtkonzept für die Agger bemühten. Mit den ehemaligen Besitzern der Wasserkraftwerke hätte eine Vereinbarung über den Rückbau der Anlagen getroffen werden müssen und auf den niedergelegten Stauanlagen hätten sich wieder Auen entwickelt, was dem Klimaschutz, dem Hochwasserschutz, der Biodiversität und einer gesunden Agger gedient hätte. Leider hatte der alleinige Blick auf die Stromgewinnung Überlegungen über die Zukunft der Agger behindert. Nun setzt sich die Einsicht mehr und mehr durch, die Staatssekretär Gesenhues bei seinem kürzlichen Besuch an der Agger darlegte: "Heute wissen wir es besser. Die Kleine Wasserkraft leistet nur einen geringen Beitrag zur Energieversorgung, aber ihr ökologischer Schaden ist groß." Diese Einsicht veranlasste das Bundesumweltministerium Im "Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz" (Kabinettsbeschluss vom 29. März 2023) zu folgender Forderung: "Wo immer es möglich ist, sollten naturnahe Fließgewässer und Auen bewahrt oder wiederhergestellt werden." Wir erwarten von Landesumweltminister Oliver Krischer, in diesem Sinne zu handeln.